Tony Mendez 02 - Eine verräterische Spur
meinte, dass Marissa irgendwann keine Lust mehr hatte, weil ihr der Druck zu groß wurde. Sie hatte keine Lust mehr, unter Milo Bordains Fuchtel zu stehen.«
»Was hat Bruce Bordain ihr denn angetan?«, fragte Dixon.
Vince zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Gina sagte, er sei schuld an ihrem Tod.«
Dixon runzelte die Stirn. »Was zum Teufel meint sie damit?«
»Das konnte sie mir nicht mehr erklären, weil die Schwester mich rausgeworfen hat«, gestand Vince. »Gina sagt, dass noch viel mehr hinter der Geschichte steckt. Sie behauptet, sie wollten etwas Gutes tun.«
»Für sich?«
»Für Haley. Ginas Vermutung nach wollte Marissa den Bordains sagen, dass Bruce nicht der Vater des Kindes ist.«
»Dann hätte er vier Jahre für ein Kind geblecht, das nicht seins ist«, sagte Dixon. »Die Summe dürfte sich insgesamt auf eine Viertel Million Dollar belaufen. Genug, um jemanden wirklich sauer zu machen, finde ich – selbst einen Mann wie Bruce Bordain.«
»Wissen Sie, wo er sich aufhält?«
»Er ist gestern nach Las Vegas geflogen.«
»Ich an Ihrer Stelle würde die Polizei dort anrufen und darum bitten, ihn ausfindig zu machen«, sagte Vince. »Wenn an der Geschichte etwas dran sein sollte, dann besteht eindeutig Fluchtgefahr.«
»Und er war bereit, seinen eigenen Sohn zum Sündenbock zu machen«, sagte Dixon. »Das nenn ich mal einen lieben Vater.«
»Ich weiß nicht«, sagte Vince. »Wie Sie gestern schon zu ihm sagten, besser könnte er es nicht hindrehen. Wenn die ganze Welt glaubt, Darren hätte Marissa geschwängert, wären damit sämtliche Gerüchte über sein Schwulsein im Keim erstickt.«
Bevor Dixon sich das durch den Kopf gehen lassen konnte, klingelte sein Telefon. Er drückte auf den Lautsprecherknopf.
»Sheriff Dixon, Detective Mendez ist in der Leitung. Er sagt, es sei dringend.«
Dixon drückte auf Leitung eins. »Tony, was ist?«
»Sitzen Sie?«
»Ja.«
»Wir haben den Postbeamten die Fotos gezeigt.«
»Und? Wen haben sie identifiziert?«, fragte Vince. »Bruce?«
»Milo.«
»Wie bitte?«, sagte Dixon.
»Milo Bordain. Die Frau war sich hundertprozentig sicher. Ich weiß auch nicht, was wir mit der Information machen sollen, Chef. Keine Ahnung, was das bedeutet.«
Vince spürte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte. Er war schon auf halbem Weg zur Tür, als Dixon hinter ihm herrief.
»Wo wollen Sie denn hin?«
»Anne ist heute mit Haley zur Ranch der Bordains gefahren.«
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»Ich kannte Marissa ja leider nicht«, sagte Anne. »Wie war sie?«
»Sie war ganz bezaubernd«, sagte Milo Bordain, während sie das Essen aus dem Picknickkorb holte. Trauben, Käse, Cracker, Baguette. Haley jagte derweil Schmetterlingen hinterher. Anne behielt sie im Blick, falls sie dem Tümpel zu nahe kam.
»Sie war begabt«, sagte Milo Bordain. »Sehr begabt sogar, aber auch halsstarrig. Sie hätte international Erfolg haben können, doch dafür fehlte es ihr an Disziplin. Ich habe sie beraten, wo es nur ging, aber manchmal wollte sie einfach nicht hören.«
»Kennen Sie sich denn in der Kunst so gut aus?«, fragte Anne in aller Unschuld.
»Gut genug, um eine Begabung zu erkennen«, erwiderte Milo Bordain ausweichend. »Darüber hinaus kenne ich viele Leute. Zu meinen Talenten gehört es, Menschen zusammenzubringen und gemeinsam mit ihnen etwas auf die Beine zu stellen. Das ist einer der Gründe, warum ich so enttäuscht von Cal Dixon bin. Er hätte viel erreichen können. Aber jetzt, nachdem er die Ermittlungen so verpfuscht hat …«
»Der Fall ist noch nicht abgeschlossen«, sagte Anne beschwichtigend. »Die Ermittlungen können noch eine ganz andere Richtung nehmen.«
»Das will ich mal hoffen«, fuhr Milo sie an. »Nach allem, was ich für unsere Stadt tue, ist das der Dank? Dass der Name meines Sohnes durch den Dreck gezogen wird?«
»Haley!«, rief Anne. »Komm essen.«
Damit wir hier endlich wegkommen.
Haley kletterte auf die Bank, besah sich das Essen und verkündete dann: »Das mag ich nicht.«
»Das sind lauter leckere Sachen«, sagte Milo.
»Iss ein paar Trauben«, sagte Anne.
»Nein.«
»Wie wär’s mit einem Cracker?«
»Nein! Ich will mit meinen Kätzchen spielen!«
»Erst wird gegessen, dann darfst du wieder spielen«, erklärte Milo.
Haley zog eine Schnute. »Du darfst mir gar nichts sagen. Du bist nicht meine Mommy!«
Der Ausdruck auf Milos Gesicht versetzte Anne in Angst und Schrecken. »Keine Widerrede, du ungezogenes Mädchen! Du wirst einmal ein genauso
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