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Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch

Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Die Deutschen im Osten Europas: Eroberer, Siedler, Vertriebene - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Großbongardt
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Vorwort
    Seit dem Mittelalter war der Osten Europas auch Heimat vieler Deutscher. Sie kamen als Bauern, Handwerker, Kaufleute und Beamte, aber auch als bewaffnete Eroberer. Sie siedelten in den baltischen Gebieten an der Ostsee, in Ostpreußen, das jetzt zu Polen und Russland gehört, im inzwischen polnischen Schlesien, aber auch am Unterlauf der Donau und der Wolga. Über Jahrhunderte prägten sie dort die Geschichte mit, überwiegend in friedlicher Nachbarschaft mit Polen, Tschechen, Balten und Ungarn.
    Der von Hitler begonnene Zweite Weltkrieg, seine Wahnvorstellung, den Osten zu unterwerfen und zu germanisieren, führte zu Vertreibung, Mord und Terror, zum Holocaust, zu millionenfachem Leid und Unrecht, das bei Kriegsende 1945 schwer auf die Deutschen zurückschlug. Flucht und Vertreibung wurden zum Trauma von rund 14 Millionen Deutschen.
    Der Niederlage auf den östlichen Schlachtfeldern folgten Glaubenskämpfe daheim. Viele Deutsche taten sich schwer damit, die durch Kriegsgewalt gezogenen oder korrigierten Grenzen im Osten zu akzeptieren. Die Geschichte der Deutschen im Osten wurde politisch instrumentalisiert – von den Vertriebenenverbänden wie von ihren Gegnern. Schon die Verwendung alter Ortsnamen sorgte für Streit. Wer von Breslau sprach, machte sich sofort als Reaktionär verdächtig, wer Wroclaw sagte, fühlte sich auf der Seite der Guten. Viele aber kehrten dem leidigen Thema ganz den Rücken, als sei Nichtbeschäftigung und Nichtwissen ein Ausweis guter Gesinnung.
    Doch mit dem Ende des Kalten Krieges, mit der Wiedervereinigung und der endlichen Anerkennung der Grenzen,
begannen sich auch die Beziehungen zu normalisieren. Die Grenzen wurden geöffnet, eine Wiederentdeckung des Ostens begann. Es ist vor allem eine neue Generation der Enkel, die mit frischem, unverkrampftem Blick nach Osten schaut und sich die lange verpönte oder verdrängte Familiengeschichte der Großeltern erschließt.
    Zu dieser neuen Generation gehört der Osteuropahistoriker Andreas Kossert, Nachkomme von Ostpreußen, der in diesem Buch die Wiederentdeckung des kulturellen Reichtums in Ostmitteleuropa beschreibt, aber auch die chauvinistische Vergangenheit. Wie unabhängig junge polnische Geschichtsforscher mit dem deutschen Erbe umgehen, schildert der Breslauer Historiker Krzysztof Ruchniewicz. Die Buchautorin Petra Reski beschreibt ihre ganz persönliche Familiengeschichte in Ostpreußen.
    SPIEGEL-Journalisten und Geschichtswissenschaftler machten sich auf die Suche nach den Spuren der Deutschen in Ostmitteleuropa – in Danzig und Kaliningrad, dem früheren Königsberg, im schlesischen Oppeln und entlang der Donau, wo in Ungarn, Rumänien, Serbien und Kroatien noch immer versprengte Deutsche leben, darunter Verwandte des Ex-Außenministers Joschka Fischer.
    Dieses Buch handelt von Kreuzrittern, Hanse-Kaufleuten, von Dichtern und Deutschen, die russische Beamte waren, von kriminellen Herrenmenschen, Soldaten auf verlorenem Posten sowie Flüchtlingen und Vertriebenen auf beiden Seiten.
    Der Blick auf die lange Geschichte der Deutschen im Osten Europas zeigt, wie vielschichtig, spannend und prägend die Entwicklung dort so viele Jahrhunderte vor dem Zweiten Weltkrieg war, auf den die Wahrnehmung meist reduziert wird, wie viel gemeinsame Geschichte Deutsche und Polen, Tschechen, Ungarn und Balten verbindet. Was
lange umkämpft und abgezäunt war, liegt nun offen da – für einen neuen Zugang, für Begegnungen mit den Menschen, für eine partnerschaftliche europäische Perspektive, aber auch weiter für kritische Aufarbeitung in einem Teil Europas, wo aus Nachbarn einst Feinde wurden, die nun wieder Freunde und Nachbarn sind.

    Hamburg, im Sommer 2011
    Annette Großbongardt, Uwe Klußmann, Norbert F. Pötzl

TEIL I
SIEDLER IM OSTEN

Neue Schlüssel zur Geschichte
    Jahrhundertelang lebten Deutsche im Osten Europas, dann war die Heimat plötzlich verloren und wurde zum hochemotionalen Streitthema. Die Enkelgeneration sieht die Vergangenheit nun unverkrampfter.

    Von Annette Großbongardt

    Die junge Frau heißt Nele, sie lebt in Berlin und hat einen Großvater in Polen, den sie innig liebt. Als er stirbt, gibt ihr das den Impuls zu einer Reise in die Vergangenheit: Die Journalistin fährt nach Schlesien zu seinem Grab und von dort immer weiter ostwärts bis nach Galizien, heute in der Ukraine, von wo der Opa einst 1945 vertrieben worden war. Er landete auf einem gottverlassenen Hof in Schlesien, der Deutschen gehört hatte.
    Die

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