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Tore in der Wüste

Tore in der Wüste

Titel: Tore in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Aktionen zu durchbrechen. Aber ein wenig Koordination war schon nötig – und das ist immer ein Nachteil. Gutes Klettern erfordert eine Aktion zu einem bestimmten Zeitpunkt. Zwei gleichzeitig sind noch tragbar. Aber zuviel zu koordinieren führt einen in ein risikoreiches Areal. Und sich selbst in Gefahr zu bringen, ist Dummheit. Zu jeder anderen Gelegenheit wäre ich dieses Risiko nicht eingegangen. Ich springe selten aufs Geratewohl, wenn es sich vermeiden läßt. Ich gehöre ganz bestimmt nicht zu diesen Alles-oder-nichts-Typen. Wie auch immer …
    Meine Füße landeten mit einer Wucht auf dem Träger, die ich bis in meine Weisheitszähne spürte. Meine Hand umklammerte den senkrechten T-Träger, neben dem ich gelandet war, meine Schulter tat so höllisch weh, daß Torquemada bestimmt seine Freude daran gehabt hätte. Ich kippte nach vorne, wurde aber gleichzeitig nach links gezogen, meine Füße glitten von ihrer Stütze, ich schlang auch noch die rechte Hand um den Träger. Ich zog mich hoch auf den Querbalken, bis ich das Gleichgewicht wieder erlangt hatte. Als ich meinen Kontrahenten erspäht hatte, ließ ich die Strebe wieder los.
    Er näherte sich der überdachten Sektion, wo die Bauarbeiter ihre Werkzeuge in Fässern und abgedeckten Schubkarren aufbewahrten. Natürlich wandte ich mich sofort in dieselbe Richtung, ich tänzelte auf Trägern und Gerüstdielen entlang, duckte mich, wo es nötig wurde, oder wich auch einmal kurz zur Seite aus.
    Er sah mich kommen. Er kletterte auf eine Erhöhung und sprang von dort zum nächsthöheren Stockwerk empor. Ich angelte nach einem Gerüst auf halber Höhe, umklammerte einen Balken, stemmte den linken Fuß dagegen und zog mich hoch, griff nach dem darüberliegenden Träger, zog mich weiter hoch. Als ich mich umsah, konnte ich gerade noch erkennen, wie er wieder ein Stockwerk höher kletterte, also wiederholte auch ich meine Prozedur.
    Er war nirgends mehr zu sehen. Daß er noch weiter hochgestiegen war, konnte ich nur vermuten. Ich kletterte auf Verdacht.
    Drei Stockwerke höher sah ich ihn erneut. Er saß auf einem behelfsmäßigen Bretterboden, der den Arbeitern, die zum Aufzug wollten, als Sammelstelle diente, und spähte auf mich herab. Wieder wurden seine Augen von dem seltsamen Leuchten erhellt.
    Dann eine Bewegung!
    Ich klammerte mich fest und hob eine Hand, um meinen Kopf zu schützen, aber das war unnötig.
    Das Klappern, Scheppern, Klingeln und Rasseln der Kiste mit Nägeln, Schrauben und was auch immer, die er auf mich herabgeschüttet hatte, erreichte mich, verlor sich weiter unten, bis es endete / endete / endlich endete.
    Ich sparte den Atem, den ich normalerweise für Flüche gebraucht hätte, zum Klettern. Kaum war die Luft rein, stieg ich wieder höher. Je höher ich kam, desto stärker zerrte der kalte Wind an mir. Als ich einmal kurz nach unten blickte, sah ich Gestalten auf dem noch immer erleuchteten Dach gegenüber, doch daß sie viel erkennen konnten, vermochte ich mir nicht vorzustellen.
    Als ich die Plattform erreichte, von der aus ich bombardiert worden war, befand mein Gegner sich bereits zwei Stockwerke über mir; er schöpfte offensichtlich Atem. Das Aufspüren fiel mir mittlerweile leichter, denn die behelfsmäßig eingezogenen Stockwerke wurden immer seltener; ich befand mich inmitten gerader, klarer Linien, exakter Winkel und ansonsten offenen Raumes, ein Bauabschnitt, so spärlich und klassisch wie ein Theorem Euklids.
    Der Wind wurde noch ein wenig kälter und stärker, als ich höher kletterte; die gelegentlichen Windstöße wurden zu einem konstanten Strom. Mit meinen Fingerspitzen konnte ich mittlerweile das konstante, rhythmische Schwingen der gesamten Struktur des Hochhausskelettes spüren. Die einzelnen, isolierten Geräusche der schlafenden Stadt sanken zu einem unterschwelligen Murmeln herab, zu einem Summen und Brummen, das sich schließlich ganz im Heulen des Windes verlor. Die Sterne und der Mond erhellten als einzige Lichtquellen die Struktur, auf der wir uns bewegten. Sämtliche Oberflächen waren trocken; mehr kann ein nächtlicher Kletterer wirklich nicht verlangen.
    Ich kletterte verbissen weiter. Höher. Höher. Die beiden Stockwerke hoch, die uns voneinander trennten. Dann noch eines.
    Auf der Etage über mir blieb er stehen und starrte herunter. Es gab kein höheres Stockwerk mehr. Wir hatten das Ende erreicht. Daher wartete er.
    Ich blieb ebenfalls stehen und erwiderte den Blick.
    „Einigen wir uns auf

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