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Die Rache des Marquis

Die Rache des Marquis

Titel: Die Rache des Marquis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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1
     
    LONDON, 1815
     
    Geduldig wartete der Jäger auf seine Beute.
    Es war ein gefährliches Täuschungsmanöver, auf das sich der Marquis von Cainewood eingelassen hatte. Der berüchtigte Pagan von der Shallow’s Wharf würde gewiß davon erfahren, daß sich ein anderer für ihn ausgab. Das mußte ihn aus seinem Versteck locken, denn sein ungeheurer Stolz würde nicht zulassen, daß seine Untaten als Verdienst eines anderen galten. Sicher würde der Pirat versuchen, Rache zu üben. Mit dieser Möglichkeit rechnete Caine. Und er wollte Pagan schnappen, sobald dieser auftauchte. Dann würde die Legende endlich zerstört werden.
    Der Marquis hatte keine Wahl. Die Spinne wollte einfach nicht aus ihrem Netz kriechen. Niemand ließ sich bestechen. Nein, es gab keinen Judas unter den Seeleuten. Und das war erstaunlich, denn die meisten Männer von niedrigem Stand hätten ihre Mütter für die Summe verkauft, die er bot. Doch die Seeleute lehnten das Gold ab und blieben der Legende treu, jeder aus seinen eigenen persönlichen Gründen. Caine, von Natur aus ein Zyniker und reich an schlechten Erfahrungen, hielt Angst für das wahre Motiv. Angst und Aberglauben.
    Ein Mythos umgab den Piraten wie eine Schutzmauer. Niemand hatte ihn je gesehen. Sein Schiff, die Emerald, wurde oft beobachtet, wie sie über das Wasser flog. Und der Anblick dieser düsteren Schönheit weckte Angst in den Aristokraten mit den prallen Börsen, veranlaßte das gemeine Gesindel zu boshaftem Kichern und die Armen zu Dankgebeten, denn Pagan teilte sein Diebesgut stets mit den Menschen, die vom Glück weniger begünstigt wurden.
    Wann immer das magische Schiff gesichtet wurde, konnte niemand auch nur ein einziges Besatzungsmitglied an Bord beschreiben. Das gab den Spekulationen und der Bewunderung für den Phantompiraten ständig neue Nahrung.
    Seine Raubzüge beschränkten sich nicht auf das Meer. Offenbar liebte er die Abwechslung, und seine Aktivitäten an Land erregten sogar noch größere Empörung. Pagan bestahl nur die vornehme Gesellschaft. Und um zu verhindern, daß seine mitternächtlichen Überfälle auf arglose Leute irgendjemand anderem angedichtet wurden, hinterließ er seine persönliche Visitenkarte in Form einer langstieligen weißen Rose. Wenn sein Opfer morgens erwachte, fand es die Blume neben sich auf dem Kissen. Allein der Anblick dieser Rose genügte manchmal, um erwachsene Männer in Ohnmacht sinken zu lassen.
    Natürlich wurde er von den Armen vergöttert und als romantischer Held gefeiert. Auch die Kirche war ihm wohl gesinnt. Häufig stellte er Truhen voll Gold und Juwelen ins Vestibül neben die Kollektenschüssel und legte eine weiße Rose darauf, damit die Priester auch wußten, für wen sie beten sollten. Dem Bischof fiel es sehr schwer, den Piraten zu verdammen. Andererseits hütete er sich, ihn zu lobpreisen, denn dadurch hätte er sich den Zorn einflußreicher Aristokraten zugezogen. Und so nannte er ihn einfach nur »Pagan, den Schlingel«, ein Spitzename, den gewisse Kreise grinsend und augenzwinkernd auszusprechen pflegten.
    Das Kriegsministerium hatte keine solche Zurückhaltung geübt und ein Kopfgeld auf den Piraten ausgesetzt – eine Summe, die von Caine verdoppelt worden war. Er jagte den Bastard aus persönlichen Gründen und vertrat den Standpunkt, daß der angestrebte Erfolg alle Mittel rechtfertigen würde. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Er wollte Pagan töten.
    Ironischerweise paßten die beiden Gegner gut zusammen. Das gewöhnliche Volk fürchtete den Marquis. Mit seiner Arbeit für die Regierung hatte er sich eine eigene finstere Legende eingehandelt. Wären die Umstände anders gewesen, hätte Pagan es nicht gewagt, Caines Zorn herauszufordern, hätte dieser ihn vielleicht weiterhin gewähren lassen. Aber diese Gunst hatte der Pirat mit einer Todsünde verwirkt.
    Abend für Abend ging Caine in eine Kneipe namens »Taugenichts« inmitten der Londoner Slums. Das Lokal wurde von berüchtigten Hafenarbeitern frequentiert. Er setzte sich stets an einen Ecksitz, den breiten Rücken durch eine Steinmauer vor heimtückischen Angriffen geschützt, und wartete geduldig auf Pagan.
    In dieser zwielichtigen Umgebung bewegte er sich mit der Selbstverständlichkeit eines Mannes, der auf eine dunkle Vergangenheit zurückblickte. In den Slums hatte ein Adelstitel nichts zu bedeuten. Sein Überleben hing einzig von seiner Größe, seiner Kraft und seinem Kampfgeist ab. Allein schon seine muskulösen Schultern und

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