Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition)
Pflicht treu und anstandslos erfüllt, und er war froh, sich derart auf sie verlassen zu können.
>> Später hättet ihr sicher auch noch einen Blick in den Wagen geworfen. Ich kam Euch nur zuvor. Macht Euch deshalb keine Gedanken mehr! << Taris sah den Gardisten aufmunternd an.
>> Jawohl mein Herr! << Der Wachmann neigte etwas verlegen den Kopf und sah dann wieder zum Wagen.
Taris konnte die Unsicherheit des Mannes trotz seiner wohlwollenden Worte beinahe greifen, gestand sich aber im selben Moment ein, dass er im Grunde genauso ratlos war. Ungeduldig sah er dann in Richtung Stadttor. Vom Medikus war noch nichts zu sehen und da er nicht völlig unnütz die Zeit verstreichen lassen wollte, beschloss er, es noch einmal mit dem Kutscher zu versuchen. Es musste doch möglich sein, mehr aus diesem verwahrlosten Kerl herauszubekommen. Allerdings würde er diesmal anders an die Sache herangehen. Zielstrebig trat er an den Kutschbock. >> Wer ist das dort hinten im Wagen? << , bellte er in militärischem Befehlston. Zunächst erhielt er jedoch keine Antwort und der Kutscher zeigte auch sonst keinerlei Reaktion. Taris wiederholte seine Worte, nahm jetzt aber keinerlei Rücksicht mehr auf den Gemütszustand des Mannes. Zorn und eine unverhohlene Drohung schwangen in der Stimme mit. Der Mund des Mannes zuckte kurz und Taris wusste, dass er diesmal mehr Erfolg haben würde.
Der Schleier vor den Augen des Kutschers wich etwas zurück und für einen kurzen Moment klarte sich sein Blick auf. >> Meine … meine Frau und … << , er schluckte kurz >> …und meine Tochter << , stammelte der Mann.
Taris hatte sich schon so etwas gedacht. Er ließ nicht locker. >> Und was ist mit ihnen passiert? Wer oder was hat ihnen das angetan? <<
Der Kutscher antwortete nicht sofort. Scheinbar konnte er mit der Frage nicht wirklich etwas anfangen. Dann schüttelte er den Kopf.
>> Meiner Frau und meiner Tochter geht es gut. Wir … wir müssen nach Leuenburg! <<
Taris zog eine Braue nach oben. Wann hatte der Mann das letzte Mal einen Blick in den Wagen geworfen? Wusste er nicht, wie es um die beiden stand, oder wollte er es gar nicht wissen? Taris dachte kurz darüber nach, den Fremden mit der Situation im Wagen zu konfrontieren, überlegte es sich dann jedoch anders. Es war besser, auf den Medikus zu warten. Es konnte gut sein, dass der Mann beim grauenvollen Anblick seiner Familie auch noch das letzte bisschen Verstand, das ihm noch geblieben war, verlor.
Die Wachen hatten den Versuch ihres Hauptmanns, mit dem Kutscher Kontakt aufzunehmen, mitbekommen. Sie wurden immer unruhiger und mehr als nur einmal gingen ihre Blicke verstohlen zum Wagen. Taris musste etwas unternehmen. Er winkte den ranghöchsten der Männer zu sich. Die Angst vor dem Unbekannten war schlimmer als die vor der offensichtlichen Gefahr und auf Letztere konnte man sich zumindest einstellen. Taris wusste das, und deshalb wollte er den Wachmann in das schreckliche Geheimnis des Wagens einweihen. Früher oder später würden sie es sowieso erfahren. Er ging mit dem Soldaten hinter den Wagen und zog die ausgefranste Plane etwas zur Seite.
Der Gardist beugte sich nach vorne, doch schon im nächsten Moment sprang er, sich eine Hand vor den Mund haltend, einen Schritt zurück. Jede Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Leise, fast schon beschwörend, rief er: >> Bei der Herrin! Was ist das? <<
Taris zog den Mann ein paar Schritte vom Planwagen weg. >> Ich weiß es nicht, aber wir werden es herausfinden. << , antworte er.
>> Ich habe so etwas noch nie gesehen! Das … das … im Namen der Herrin … << Dem Soldaten fehlten die Worte und Taris konnte sehen, wie es hinter der Stirn des Mannes arbeitete.
>> Wer … hat Was … noch nie gesehen? << , keuchte plötzlich eine Stimme hinter den beiden. Sie gehörte dem Medikus von Leuenburg. In Begleitung der Wache, die Taris vorhin losgeschickt hatte, kam er schnaufend angelaufen. Die Miene des Hauptmanns hellte sich auf und er winkte den Heilkundigen zu sich heran. Der Medikus war ein alter Mann, der seine besten Jahre zwar schon hinter sich hatte, dem man aber heute noch den Haudegen von damals ansah. Weißes, lockiges Haar fiel ihm bis auf die knochigen Schultern und ein lichter, grauer Bart umrahmte markante, harte Gesichtszüge. Er trug einen weißen, wollenen Überwurf,
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