Tore nach Thulien 2 : Dämmerung (German Edition)
ein paar Männern formiert. Er braucht jetzt jede Klinge! << Auffordernd sah ihn der große Mann an seiner Seite an.
Erst jetzt bemerkte Liam, dass es Krell war, sein Nachbar. Der hoch gewachsene, kräftige Landmann hatte sein Schwert, eine alte, rostige Klinge, bereits in der Hand. In der anderen hielt er seinen schweren, eisenbeschlagenen Schild. >> Wo sind deine Frau und dein Sohn? << , fragte Liam mit einem Seitenblick auf seine eigene Familie. Er hatte sich inzwischen vom fürchterlichen und zugleich faszinierenden Blick auf den Westen des Dorfes losreißen können. All seine Sinne waren jetzt zum Zerreißen gespannt und höchste Aufmerksamkeit lag in seinen Augen.
>> Juhle bespannt gerade den Wagen. Sie sollen sich oben in den Bergen verstecken. Sobald der Spuk hier vorbei ist, werde ich die beiden wieder holen. << , antwortete Krell.
Mit sanfter Gewalt löste Liam daraufhin seine Frau Ilsa aus der Umarmung. Ihre Blicke trafen sich und plötzlich hatte Liam große Angst, sie niemals wieder zu sehen. Ein bitterer Kloß bildete sich in seinem Hals und er musste sich zwingen, ruhig und besonnen zu sprechen. >> Geht in die Hütte und sucht das Nötigste zusammen! Dann macht euch gemeinsam mit Juhle auf den Weg in die Berge. Versteckt euch gut! Ich komme euch später holen! <<
Mit einem letzten Kuss auf die Stirn von Ilsa und Nalia hastete Liam in seine Hütte, und einen Moment später rannte er mit einem großen Jagdspeer bewaffnet an der Seite von Krell die Anhöhe hinunter. Liam war froh, sich noch schnell den alten Waffenrock seines Vaters übergeworfen zu haben. Die Stunde kurz vor Sonnenaufgang war immer die kälteste und noch reichte das diffuse Licht der Dämmerung nicht aus, den Boden und die Luft zu erwärmen.
Es dauerte nicht lange und sie erreichten eine kleine Ansammlung von Menschen. Bewaffnete, es mussten gut zwei Dutzend sein, standen um einen älteren Mann mit langem, grauen Bart. Er war voll gerüstet und hielt einen großen, schweren Kriegshammer in den Händen. Es war Tjelden, der Älteste. Er war der Einzige, der in den alten Geschichten, die sonst am Lagerfeuer erzählt wurden, noch eine Rolle gespielt hatte. Dinge, die andere nur vom Hörensagen kannten, hatte er gesehen und Heldentaten, die sich andere gerne auf die Fahne schreiben würden, hatte er vollbracht. Tjelden, so erzählte man sich, war damals noch ein junger Krieger gewesen. Damals, das waren die Zeiten, da noch mehr gekämpft als gesät und geerntet, noch mehr geblutet als geschwitzt wurde. Tjelden war einer der Vorväter, die dieses Land mit ihrem Schweiß und ihrem Blut der rauen Wildnis entrissen und es urbar gemacht hatten. Seine Werkzeuge waren über Jahre hinweg Speer und Schwert und Schild gewesen, und nur langsam hatte er sie gegen Sense und Pflug eingetauscht. Unter den Jüngeren, zu denen sich auch Liam zählte, fand man heute keine Krieger mehr wie damals. Die meisten waren Handwerker oder Bauern und verdienten sich ihren Lebensunterhalt mit harter, aber ehrlicher Arbeit. Sicherlich wurden auch sie in den Kriegskünsten unterwiesen und der ein oder andere von ihnen hatte schon mal Gebrauch von seiner Waffe machen müssen, doch tief im Herzen waren sie einfache Leute und keine Soldaten.
Tjelden sah die beiden näher kommen und winkte sie zu sich. Zustimmendes Gemurmel machte sich unter den Männern breit und Grußworte wurden ausgetauscht.
Liam fühlte sich trotz der bekannten Gesichter um sich herum unwohl und erkannte, dass es auch anderen so erging. Da war Ulwart, der Schmied des Dorfes. Er hielt zwei schwere Schmiedehämmer in den Händen und auf dem Kopf trug er seine lederne Kapuze. Er sah beinahe so aus wie immer, wäre da nicht der ängstliche Blick, mit dem er ab und an über die Schulter, hin zu den Feuern und Schreien im Dunkel, sah. Fernlug, der Tischler, fühlte sich offenbar ähnlich, hantierte er doch nervös und unruhig an der Sehne herum, die über seinen großen Eschenbogen gespannt war.
>> Männer! << , erhob sich plötzlich Tjeldens Stimme über das Gerede der Umstehenden. >> Schreckliches ist über unser Dorf gekommen. Ein unbekannter Feind hat uns im Schutze der Dämmerung angegriffen. Wanhold und ein paar andere haben sich dem Gegner entgegen geworfen und ringen mit ihm um den Westteil des Dorfes. Der Schlachtenlärm lässt bereits nach und ich fürchte, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt. << Rauch wehte
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