Tortenschlacht
ruft, wird man nicht wieder los.
Heini Boelter war es trotzdem gelungen. Er hatte den bösen Geist besiegt.
Jetzt musste er nur noch dessen Leiche loswerden.
14 SCHON MONIKAS entsetzter Blick machte klar, dass es nicht einfach werden würde.
Natürlich sahen wir erbärmlich aus: erschöpft, völlig verdreckt und durchweicht vom Dauerregen. Hinzu kam Melanies unsteter, merkwürdig entrückter Blick. Auf der Fahrt nach Hause hatte sie abwechselnd grundlos Lachanfälle und Heulkrämpfe bekommen. Ein eindeutiges Signal, dass die Wirkung der gerauchten Drogen keineswegs nachgelassen hatte.
»Melanie! Um Himmels willen!«, rief Monika aus und kümmerte sich umgehend um das Mädchen. Und natürlich wollte sie wissen, was passiert sei.
»Ein Unfall«, sagte ich, wohl wissend, dass jede weitere Erklärung zu dieser fortgeschrittenen Stunde den Rahmen sprengen würde, weshalb ich ein beruhigendes »halb so wild, wir reden morgen darüber« hinzufügte.
»Halb so wild«, regte sich Monika auf, »meine Tochter hatte einen Unfall, und du sagst halb so wild?«
Da es meist schiefgeht, wenn sich drei total übernächtigte Personen nachts um halb vier noch auf überflüssige Diskussionen einlassen, lenkte ich rasch ein: »Ich wollte damit nur sagen, dass sie nicht verletzt ist.«
»Woher willst du das wissen?« Monika zog ihrer Tochter die feuchte Lederjacke aus. »Hast du sie untersuchen lassen?«
»Mama, ich bin nicht krank«, ließ sich Melanie genervt vernehmen, doch Monika ließ den Einwand nicht gelten.
»Vielleicht hat sie einen Schock? Innere Verletzungen? Vielleicht ist es besser, wir rufen einen Notarzt.«
»Nein, bloß nicht!« Ich hob die Hände. »Melanie hat was geraucht, das muss ja nun wirklich nicht sein, dass das irgendwelche Ärzte mitbekommen, oder?«
»Gerade weil sie was geraucht hat!« Schon hatte Monika ein Telefonbuch in der Hand. »Wer weiß, was sie für ein Zeug zu sich genommen hat!«
»Mensch Mama, komm wieder runter«, regte sich nun auch Melanie auf, und ich spürte, wie mir die Situation unweigerlich aus den Händen glitt.
»Du bist high, nicht ich!« Monika blätterte hektisch die Seiten des Telefonverzeichnisses durch. »Ich muss nicht runterkommen – ah, hier haben wir es ja: Drogennotdienst, Unfallambulanz …«
»Ich brauche keinen Arzt«, rief Melanie und versuchte, ihrer Mutter das Telefonbuch wieder abzunehmen.
Doch Monika verteidigte es standhaft. »Und ich sage, du brauchst einen.«
»Vergiss es!«
Beide zerrten am Telefonbuch herum wie zwei junge Hunde an einem Stück Fleisch und wurden immer aggressiver.
»Wirst du wohl loslassen!«
»Ach, leck mich!«
»Sag das noch mal!«
»Leck mich am Arsch!«
»Ich bin deine Mutter, verdammt noch mal!«
»Du bist vor allem ‘ne olle Nervbacke! Und jetzt lass endlich das Scheißtelefonbuch los. Ich geh nicht zum Arzt!«
»Das entscheide immer noch ich. Dieter, hilf doch mal!«
Ja, aber wie?
Hilflos stand ich da und sah dem Gerangel zu.
Am Ende war das Telefonbuch zerfetzt, Monika zweifelte an meiner väterlichen Kompetenz und brach in Tränen aus, während sich Melanie ebenfalls heulend im Bad verbarrikadierte – mit anderen Worten: Das Chaos war perfekt. Halleluja!
Glücklicherweise war noch Wodka im Kühlschrank. Den Rest der Nacht verbrachte ich auf einem harten Küchenstuhl …
… und entsprechend gerädert komme ich am Sonntagmorgen ins Büro. »Einen Wunderschönen!«
»Sardsch«, ruft Hünerbein, ohne auf meinen Gruß zu reagieren, »wir müssen gleich rüber zum Rapport.« Er drückt mir ein paar Akten in die Hand und schiebt mich wieder hinaus in den Flur. »Ich hab Beylich gesagt, dass er für jede Menge frischen Kaffee sorgen soll, weil wir ‘ne lange Nacht hatten.«
»Ist da gestern noch irgendwas rausgekommen?«
»Na ja.« Hünerbein watschelt vor mir her. »Unser lieber Professor Graber hat zusammen mit dem Kurzen – wie hieß er noch? – Überstunden gemacht …«
»Kurzweil.«
»Wie bitte?«
»Der Kurze hieß Kurzweil«, präzisiere ich.
»Ah ja. Jedenfalls haben die herausgefunden, dass die Leiche – also der Bauer, dieser Arndt – gestern zwischen achtzehn und einundzwanzig Uhr ihr Leben ausgehaucht hat. Vorher hat er noch mindestens fünfzehn Minuten lang mit dem Tod gerungen. So lange hat er versucht …« Hünerbein packt im Laufen nach einem imaginären Seil über seinem Kopf, »… sich am Strick festzuhalten, um den Druck …«, er greift sich an den Hals, »… aus der
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