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Total Recall

Total Recall

Titel: Total Recall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Dürr (VS Mihr)
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aller Welt mit deutschem Kommentar, dann ein Micky-Maus-Film oder etwas Ähnliches und am Schluss Werbung in Form von Dias für verschiedene Grazer Geschäfte. Danach ertönte Musik, und dann ging alles wieder von vorn los. Das NonStop war nicht teuer – es kostete nur ein paar Schilling – und jede Wochenschau brachte uns aufs Neue zum Staunen. Elvis, wie er »Hound Dog« sang, Präsident Eisenhower bei verschiedenen Reden, Berichte über Düsenflugzeuge und stromlinienförmige amerikanische Autos, dazu Klatschgeschichten über Schauspieler. Das sind die Sachen, an die ich mich erinnere – es gab natürlich auch langweilige Beiträge und Berichte, die ich als Kind nicht begriff, etwa über die Suezkrise.
    Amerikanische Spielfilme hinterließen bei uns einen noch tieferen Eindruck. Der erste Spielfilm überhaupt, den Meinhard und ich sahen, war ein Tarzan-Film mit Johnny Weissmüller. Ich dachte, er würde sich mit seiner Liane von der Leinwand direkt ins Publikum schwingen! Die Vorstellung, dass sich ein Mensch von Baum zu Baum hangelte und mit Löwen und Schimpansen redete, war ebenso faszinierend wie die Geschichte zwischen Tarzan und Jane. Ich fand Tarzans Leben großartig. Meinhard und ich sahen uns den Film gleich mehrere Male an.
    Die zwei Kinos, in die wir hauptsächlich gingen, lagen einander gegenüber an einer der Hauptstraßen von Graz. Meistens liefen dort Western, aber auch Komödien und Dramen. Das einzige Problem war die Altersbeschränkung, die streng überwacht wurde. In einen Elvis-Film zu kommen war einfach, aber all die anderen Filme, die ich sehen wollte – Western, Gladiatoren- und Kriegsfilme – waren erst ab sechzehn oder gar achtzehn Jahren freigegeben. Manchmal ließ mich ein freundlicher Kartenverkäufer warten, bis der Film angefangen hatte, und deutete dann mit einer Kopfbewegung an, in welcher Reihe der kontrollierende Polizist saß. Oder ich blieb am Seitenausgang stehen und schlich mich geduckt in den Saal.
    Meine Kinobesuche finanzierte ich mit dem Geld, das ich mit meiner ersten eigenen Geschäftsidee verdient hatte: Ich hatte, im Sommer 1951, am Thalersee Eis verkauft. Der Thalersee war ein Badesee, wunderschön am östlichen Ende von Thal zwischen den Bergen gelegen, nur fünf Gehminuten von unserem Haus entfernt. Auch von Graz war er gut zu erreichen, und im Sommer kamen oft Tausende Besucher – zur Erholung, zum Schwimmen, Rudern oder Spielen. Am Nachmittag war ihnen dann heiß, und sie standen in langen Schlangen am Eisstand auf der Terrasse des Café-Restaurants an. Als ich das sah, wusste ich sofort, was ich zu tun hatte. Das Gelände rund um den See war so groß, dass man, je nachdem wo man seine Decke liegen hatte, zehn Minuten bis zum Eisstand brauchte, und bis man wieder zurück war, war das Eis schon halb geschmolzen. Ich überlegte, dass ich das Eis in der Waffel beim Eismann für einen Schilling das Stück kaufen und dann eine Runde um den See drehen und es für drei Schilling verkaufen könnte. Der Eisverkäufer war über die zusätzliche Absatzmöglichkeit erfreut und lieh mir sogar eine Kühltasche. Mit dem Eisverkauf verdiente ich bis zu 150 Schilling (fast 5 Euro) an einem Nachmittag und wurde dazu noch angenehm braun, wenn ich in meinen kurzen Hosen unterwegs war.
    Irgendwann war das Geld vom Eisverkauf jedoch aufgebraucht. Mittellos zu sein gefiel mir ganz und gar nicht. So kam ich im Herbst auf die Idee mit dem »Schnorren«. Ich schlich mich aus der Schule am Fröbelpark und schlenderte über den Kalvariengürtel, auf der Suche nach jemandem, der einigermaßen spendabel wirkte. Das konnte ein Mann mittleren Alters sein oder ein Student. Oder eine Bauersfrau, die für einen Tag in der Stadt war. Auf sie ging ich dann zu und sagte: »Verzeihung, aber ich habe mein Geld und meine Busfahrkarte verloren und weiß nicht, wie ich nach Hause kommen soll.« Manchmal wurde ich weggescheucht, aber meistens sagte die Frau so etwas wie: »Kannst du denn nicht besser aufpassen!« Wenn sie mich so ausschimpfte, wusste ich, dass ich ihr Herz erweicht hatte, denn als Nächstes seufzte sie und fragte: »Wie viel brauchst du denn?« Ich antwortete: »5 Schilling.« Ich bat die Leute immer, mir ihre Adresse aufzuschreiben, damit ich ihnen das Geld zurückzahlen könnte. Normalerweise sagten sie dann: »Nein, nein, das musst du mir nicht schicken. Pass das nächste Mal einfach besser auf.« An meinen besten Tagen schnorrte ich auf diese Weise 100 Schilling

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