Totenfeuer
einer roten Flüssigkeit darin, die gerade noch den Boden bedeckt.
»Kennen Sie die?«
Martha Felk kneift die Lippen zusammen wie die Bügel einer Geldbörse.
»Sie müssen nicht antworten, ich bin sicher, von den Fingerabdrücken, die man darauf gefunden hat, sind auch welche von Ihnen.« Der Kommissar reicht die Tüte an Oda weiter und zieht ein Schriftstück aus seiner Westentasche, das er umständlich auseinanderfaltet und dann Martha Felk vors Gesicht hält. »Können Sie das ohne Brille lesen? Wenn nicht, sage ich Ihnen, was drinsteht: In dem Holundersaft, den Sie Ihrem Mann für seinen Vater mitgegeben haben, war eine tödliche Dosis Beruhigungsmittel. Was sagen Sie dazu?«
Martha Felk betrachtet stumm ihre Gummistiefel.
Nun greift auch Oda in ihre Jackentasche. »Und ich habe hier einen Durchsuchungsbeschluss für Ihr Anwesen. Ich bin sicher, wir werden in Ihrem Medikamentenschrank fündig werden.«
»Das können Sie sich sparen«, sagt Martha. »Ja, ich habe ihn umgebracht, diesen arroganten, selbstgerechten Gutmenschen. Weil ich die Nase voll hatte. Ernst und ich sind nach dem Krieg geboren, wir haben nichts mit dieser elenden Judengeschichte zu schaffen, wir haben immer gearbeitet und uns nichts zuschulden kommen lassen. Ich sehe nicht ein, dass wir für etwas bezahlen sollen, wofür wir nichts können. Unser Geld wollte der einer wildfremden Frau in den Rachen werfen. In dem Saft habe ich Rohypnol aufgelöst, das stammt noch von Roswitha.«
»Martha Felk, ich verhafte Sie hiermit wegen des dringenden Verdachts auf versuchten Mord. Bitte folgen Sie mir.«
Martha verlässt den Stall hinter Völxen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Oda folgt ihr dicht auf den Fersen.
»Wer soll sich nun um die Pferde kümmern?«, fragt Martha.
»Haben Sie Nachbarn, die das übernehmen könnten?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Wir werden schon eine Lösung finden«, meint Völxen.
Ehe Martha in den Streifenwagen einsteigt, fragt sie plötzlich: »Wieso eigentlich versuchter Mord?«
»Weil Ihr Schwiegervater den Saft nicht getrunken hat. Eine Flasche war noch verschlossen und hätte um ein Haar eine nette, unschuldige Familie ausgelöscht, die zweite Flasche ist Ihrem Schwiegervater versehentlich heruntergefallen und zerbrochen, das hat eine Pflegerin heute Morgen ausgesagt. Ihr Schwiegervater starb eines natürlichen Todes, das steht im Obduktionsbericht. Das hier, in dieser Flasche, ist übrigens nur Hagebuttentee. Tja, hätte Ihr Mann den Holundersaft nicht erwähnt … Vorsicht beim Einsteigen, Frau Felk.«
Montagabend
Oda räumt gerade die Spülmaschine ein, als ihr Handy klingelt. Jetzt nur kein Leichenfund! Sie hat sich auf einen gemütlichen Fernsehabend gefreut. »Oda Kristensen.«
»Einen wunderschönen guten Abend, Frau Krischtensen.«
»Ihnen auch einen guten Abend, Dr. Bächle. Was gibt es denn?« Oda wundert sich. Bächle auf ihrem Handy, noch dazu um sieben Uhr abends?
»Sind Sie allein?«, kommt es verschwörerisch.
»Ja«, antwortet Oda verwirrt.
»Frau Krischtensen, ich rufe an wegen Ihrer privaten Angelegenheit …« Der Mediziner ist in einen Flüsterton übergegangen, während Oda vor Scham ganz heiß wird. Die Haarprobe! Die hat sie inzwischen völlig vergessen. Wie peinlich, dass sie Bächle überhaupt damit beauftragt hat, wie konnte sie das nur tun?
»Es … es hat sich erledigt. Es ist mir sehr unangenehm, dass ich Sie deswegen belästigt habe … Trotzdem danke.«
»Scho recht«, sagt Dr. Bächle gutmütig. »’s isch eh nix dabei rauskomme’.«
»Was um Himmels willen ist das?«, fragt Jule, nachdem sie ihre Wohnungstür geöffnet hat.
»Ein Blumenstrauß, sieht man das nicht?«, antwortet Fernando und strahlt.
Sie haben sich heute noch nicht gesehen, denn Jule hat sich einen Tag frei genommen – Überstunden abbummeln und Frühjahrsputz in der Wohnung machen. Sie betrachtet den Strauß. Frühlingsblumen, für 30 Euro, mindestens. »Komm rein.« Sie lotst Fernando in die Küche. »Wofür?«
»Für deine schauspielerische Leistung am Samstag. Du warst wirklich sehr überzeugend.«
»Ach das.« Jule winkt ab. »Grüß deine Tante von mir. Wenn sie jetzt glücklicher ist, dann ist ja alles gut.«
»Und wie gut das ist«, frohlockt Fernando. »Sie hat mir zum Abschied einen dicken Scheck ausgeschrieben. 5000 Euro! Jetzt steht meinem neuen Motorrad nichts mehr im Weg!«
»Wieso Motorrad?«, fragt Jule und sucht nach einer Vase. »Das Geld ist doch sicherlich für unseren
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