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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Bingham
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gesagt, als er noch lebte. Nein, hier nicht. Mir ist das ja egal, aber die Kinder … Es geht hier nicht um mich.
    Ich hole die Kreditkarte hervor und zeige sie ihr.
    » Die gehörte Ihrem Mann, richtig?«
    Sie sieht sich erst die Karte, dann wieder mich an. Fast hätte sie sich zu einem halbherzigen Nicken durchgerungen.
    » Die Karte wurde als verloren gemeldet. Können Sie sich erinnern, wie oder wann er sie verloren hat?«
    » Nein, tut mir leid.«
    » Hat er Ihnen gegenüber erwähnt, dass er sie verloren hat?«
    » Ich glaube nicht. Also …« Sie zuckt mit den Schultern. Wenn wir Millionäre Kreditkarten verlieren, dann haben wir Angestellte, die sich darum kümmern. Das will sie mir mit dem Schulterzucken sagen. Glaube ich zumindest.
    » Die Karte wurde an einem Tatort in Butetown gefunden. Können Sie sich einen Reim darauf machen?«
    » Nein. Nein, tut mir leid.«
    » Sie können sich nicht erklären, wie diese Karte in den Besitz von Janet Mancini gekommen sein könnte?«
    » Tut mir leid. Beim besten Willen nicht.«
    » Sagt Ihnen der Name April Mancini etwas?«
    » Nein.«
    » Ihnen ist doch bewusst, dass Butetown ein eher ärmeres Stadtviertel ist? Ziemlich heruntergekommen. Welchen Grund könnte Ihr Mann gehabt haben, diese Gegend aufzusuchen?«
    » Keine Ahnung.«
    Jetzt bin ich mit meinen Fragen am Ende. Jedenfalls mit denen, die ich auch am Telefon gestellt hätte. Ich wiederhole mich ja schon. Trotzdem liegt da diese abweisende Haltung in der Luft, und ich nehme Witterung auf. Mrs Rattigan lügt mich nicht an, das weiß ich. Aber irgendetwas stimmt hier nicht.
    Ich wage einen Versuch.
    » Nur noch ein paar Fragen«, sage ich.
    » Natürlich.«
    » Was das Sexualleben mit Ihrem Mann angeht – hätten Sie das als normal bezeichnet?«

4
    Hinter Cwmbran geht es nur langsam voran. Ich suche im Autoradio einen Sender, den ich anhören will, entscheide mich dann aber für die Stille. Zu meiner Linken sind grüne Hügel und Lämmer. Zu meiner Rechten die verschachtelten Überreste der alten Bergwerke. Lange schwarze Schächte, die in die Finsternis hinabführen. Da sind mir die Lämmer lieber.
    Dann erreiche ich Cardiff. Da ich mich nicht überwinden kann, sofort ins Büro zurückzufahren, verlasse ich die Newport Road und biege links ab.
    Fitzalan Place. Adam Street. Bute Terrace.
    Viele sagen ja, dass ihnen das neue Cardiff gefällt. Das renovierte Stadtzentrum. Das neuerrichtete Gebäude der Nationalversammlung. Die schicken Hotels, die teuren Büros und der Kaffee für 2,50 Pfund die Tasse. Das ist das neue Wales. Ein Wales, das seine Zukunft selbst in die Hand nimmt. Stolz, selbstbewusst, unabhängig.
    Ich für meinen Teil kapiere das nicht so richtig. Mir kommt das wie ein billiger Taschenspielertrick vor. Alles daran ist nur Fassade: Der Look. Der Style. Die Preise.
    Und die Namen. Im Stadtzentrum gibt es jetzt einen Churchill Way, eine Queen Street und einen Windsor Place. Wo bitte schön ist da die verdammte Unabhängigkeit? Wenn es nach mir ginge, wäre jede Straße nach einem dieser walisischen Prinzen aus dem 13. Jahrhundert benannt, die die Engländer bekämpften und deshalb auf schreckliche Weise massakriert wurden. Llewelyn ap Gruffydd – Llewelyn der Letzte. Dem würde ich die breiteste Straße widmen. Der letzte König von Wales. Ein heldenhafter, ehrgeiziger, streitsüchtiger Versager. Verraten, umzingelt, ermordet. Irgendwann wurde sein Kopf auf einem Spieß im Londoner Tower zur Schau gestellt. Ich würde jede größere Sehenswürdigkeit in Cardiff nach ihm benennen. Und wenn das den Engländern nicht gefällt, dann sollen sie uns gefälligst seinen Kopf zurückgeben. Wahrscheinlich hat ihn die Queen irgendwo in einer Besenkammer. Oder William und Harry spielen Fußball damit.
    So richtig entspannen kann ich mich nur, wenn ich nicht im Stadtzentrum bin – wo ich leider Gottes arbeite –, sondern nach Butetown fahre. In Butetown trinkt man lieber Tee als Kaffee, und weder das eine noch das andere kostet 2,50 Pfund die Tasse. Klar, hin und wieder wird in Butetown eine Drogensüchtige ermordet, oder man findet ein kleines Mädchen, das sein Leben unter einem hochwertigen Spülbecken ausgehaucht hat. Verbrechen, die man sehen, und Opfer, die man berühren kann, sind mir trotzdem lieber.
    Ich parke den Wagen ganz in der Nähe der Allison Street Nr. 86.
    Mich überkommt das komische Gefühl, das mich immer überkommt, wenn ich den Toten nahe bin. Ein Kribbeln.
    Ich steige aus. Die

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