Totenplatz
nickte. »Sie haben recht, Sir. Ich bin auch durcheinander, aber ich weiß endlich Bescheid.«
Sehr ernst schaute er mich an, und wurde unter der Kontrolle dieses Blicks sehr gelassen. »Sir, was ist hier passiert?«
»Kommen Sie mit!«
Bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte er kehrtgemacht und lief auf die Mitte des Totenplatzes zu, wo die Grillhütte stand. Um sie herum hatten sich die Gäste versammelt. Ich brauchte nur in ihre Gesichter zu schauen, um zu wissen, daß etwas Schlimmes vorgefallen sein mußte.
Die Gäste hatten sich verändert. Sie sahen aus wie Gespenster. Sie unterhielten sich mit lauten Stimmen, doch niemand bekam so richtig mit, was der andere sagte.
Alle redeten durcheinander. Die Gesichter der Männer waren ebenso bleich wie die der Frauen. Einige Gäste hatten ihre Hände vor die Lippen gepreßt, als müßten sie ein Würgen unterdrücken. Im Laufen bekam ich auch Worte oder Satzfetzen mit, und ich hörte des öfteren etwas von einem Finger, ohne mir darauf allerdings einen Reim machen zu können.
Wir drängten uns unter das Dach der Hütte, wo auch die Sitzbänke standen.
Keiner hielt dort seinen Platz. Die Menschen waren aufgestanden.
Aus bleichen Gesichtern und großen Augen schauten sie in eine bestimmte Richtung, ohne jedoch freiwillig hinsehen zu wollen. Es war mehr ein Zwang, der sie so reagieren ließ.
Sir James umfaßte meinen Arm. Daß auch wir angesprachen wurden, kriegte ich nur am Rande mit. Der Superintendent zog mich auf das eigentliche Ziel zu.
Es war ein heller Teller.
Und darauf lag ein menschlicher Finger!
***
Auch ich mußte schlucken, als ich mit disem schrecklichen Anblick konfrontiert wurde. Sogar ein schmaler Ring glitzerte noch daran, und die Haut sah aus, als wäre sie angebrannt. Als ich Sir James darauf ansprach, gab er mir die Antwort.
»Dieser Finger ist aus dem Schnabel einer Dohle auf den Grill geworfen worden…«
»Mein Gott. Wem gehört er? Wissen Sie das?«
»Ja, einer gewissen Lady Margret. Ihr Gatte hat den Finger identifiziert.«
Ich konnte nicht viel sagen und murmelte nur: »Einem Vogel ist er also aus dem Schnabel gefallen.«
»Die Dohle, John.«
»Wo ist sie?«
Sir James hob die Schultern. »Wenn wir das wüßten, wären wir der Lösung wohl nahe, denke ich.«
»Stimmt, Sir. Diese Dohle und der Henker bilden praktisch ein Team, so unwahrscheinlich es sich anhört.«
»Mich kann nichts mehr aus der Fassung bringen.«
Ich schaute auf den Finger, ohne ihn richtig zu sehen. »Verdammt noch mal, ich muß den Vogel finden, dann habe ich auch den Henker und den verdammten Richtklotz.«
»Wie meinen Sie das, John?«
»Ich werde es Ihnen später erklären, Sir. Jetzt ist es erst einmal wichtig, den Henker zu fangen und natürlich den Vogel. Alles andere können wir später erledigen.«
Er hielt mich nicht auf. Seitlich drängte ich mich unter dem Grillstand hervor. Die meisten Gespräche waren versiegt. Einige Gäste sprachen davon, nach Hause zu fahren. Es war das Beste, was sie tun konnten, denn hier würde es bald zum Finale kommen. Das Gefühl hatte ich. Der Henker hatte indirekt bewiesen, wer hier auf dem Totenplatz das Sagen hatte, und es würde nicht nur bei den abgehackten Fingern bleiben, davon konnte ich schon ausgehen.
Zum Glück war der Grillplatz so gebaut worden, daß ich von ihm aus den größten Teil der Lichtung überblicken konnte. Es war mittlerweile hoher Nachmittag geworden. Die Sonne schien noch immer, und sie stand günstig, so daß der größte Teil des Platzes unter ihrem Schein lag. Wo steckte die Dohle?
Die Frage war plötzlich uninteressant geworden, denn ich hörte einen Schuß.
Obwohl er weiter von mir entfernt aufgeklungen war, hörte ich den Klang einer Beretta heraus. Die Stimmen, die mich umgaben, waren plötzlich wie weggewischt. Ich wußte die Richtung, ich wußte auch, daß sich Suko in einer Auseinandersetzung befand und wollte meinen Freund deshalb nicht allein lassen.
Der Henker wir stark und grausam. Es stand noch längst nicht fest, daß Suko den Kampf gegen ihn auch gewann.
Deshalb startete ich wie ein Olympia-Sprinter!
***
Wieder fiel ein Schuß!
Suko hatte den Eindruck, selbst von der Kugel getroffen zu werden. Der Schuß war in seiner Nähe abgefeuert worden, und er rechnete damit, daß die Kugel den Weg in den Körper des Henkers gefunden hatte, aber das war nicht der Fall.
Das Geschoß war in den Körper der Dohle gedrungen. Es hatte sie beim Abflug in die Höhe getroffen und
Weitere Kostenlose Bücher