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Totenreise

Totenreise

Titel: Totenreise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lozano Garbala
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Idee zu haben, was als Nächstes geschehen würde.
    Plötzlich spürte er, wie sein Körper automatisch auf eines der Fenster zusteuerte. Unaufhaltsam glitt er durch die Vorhalle, doch das Fensterglas war zersplittert, und gefährlich gezackte Scherben erwarteten ihn. Näher und näher geriet er, schon streckte er hilflos abwehrend die Arme aus, da vernahm er hinter sich ein Klirren und sein Körper blieb wenige Meter vor den tödlichen Glassplittern stehen. Er drehte sich um.
    Es war Daphne. Sie hatte einen großen Spiegel zerschlagen und rief: »Geist! Der Wanderer schickt uns!«
    Augenblicklich trat wieder Stille ein. Daphne blickte auf den geretteten Jules, fast ging ein Lächeln über ihr Gesicht, dann fasste sie nach ihrem Talisman auf ihrer Brust und stellte fest, dass dieser nicht erkaltet war; also besaß der Geist keine bösen Eigenschaften. Sie begriff, dass sich seine Aufgabe darauf beschränkte, auf den Koffer aufzupassen und unerwünschte Besucher zu vertreiben – oder zu töten, falls nötig. Er würde sich zurückziehen, sobald jemand Würdiges die drei magischen Gegenstände an sich nahm. Sie vertraute darauf, dass sie die Richtigen waren.
    Das Wort »Wanderer« schien tatsächlich Eindruck auf den Geist gemacht zu haben, denn die Stille dauerte an.
    Angespannt wartete Daphne.
    »Jules, komm langsam zu mir herüber«, flüsterte sie.
    Der Junge ging mit weichen Knien unsicher auf sie zu. Er hielt den Atem an, doch nichts geschah.
    Als er neben Daphne stand, wandte sie sich noch einmal an den Geist: »Der Wanderer braucht die drei Artefakte!« Und in Jules’ Richtung fragte sie leise: »Wie hieß noch mal der Mann, der Pascal von den magischen Gegenständen und dem Ort hier erzählt hat?«
    »Constantin De Polignac«, antwortete Jules, seine Stimme war wie ein Hauch.
    »Constantin De Polignac schickt uns!«
    Alles blieb ruhig, was Daphne als ein gutes Zeichen nahm. Sie wies mit dem Kopf in Richtung Keller und zum zweiten Mal machten sie sich auf den Weg dorthin. Jules biss die Zähne zusammen, um seiner Angst Herr zu werden. Er versuchte sich vorzustellen, dass er sich in einem dieser Horrorfilme befand, die er so mochte. Der Trick half.
    Unbehelligt betraten sie die Treppe, alles blieb ruhig. Langsam stiegen sie hinab, erreichten das Gewölbe, durchquerten einen kleinen Vorraum und standen schließlich in einem riesigen ehemaligen Weinkeller. Ein dicker Staubteppich lag auf dem Lehmboden, und in der Mitte, auf einer Art Altar, stand der Koffer.
    Er war nicht besonders groß, aus dunklem Holz gefertigt und mit Bronzebeschlägen versehen.
    »Bleib hier stehen und halte den Rucksack bereit«, flüsterte Daphne. »Ich hole die Sachen.«
    Die Taschenlampe fest umklammert, ging die Wahrsagerin auf den Altar zu. Sie blieb vor dem Koffer stehen und holte tief Luft.
    Jetzt kam der bis dahin heikelste Teil: den Deckel anheben. Sie tat es betont langsam, und mit angehaltenem Atem sah sie in das Innere des hölzernen Behälters. Tatsächlich blickte sie auf drei Gegenstände: ein Schwert, dessen Klinge schimmerte, als der Schein der Taschenlampe darüberglitt, einen flachen, durchsichtigen Stein und ein Armband aus den geschliffenen Perlen eines grünen Minerals mit weißer Maserung.
    Dies nun war der entscheidende Moment: Wenn die Stille beim Berühren der Gegenstände nicht durchbrochen wurde, hätten sie es geschafft. Wenn nicht …
    Auf einmal waren Schüsse zu hören, und Daphne spürte im gleichen Augenblick, dass der Geist, der sie beobachtete, den Keller verließ.
    »Ich weiß nicht, was da oben los ist, aber das ist unsere Gelegenheit!«, rief sie Jules zu.
    Rasch griff sie nach dem Stein, während sie Jules den Dolch und das Armband reichte.
    »Und jetzt los, Jules, zur Treppe. Ich folge dir!«
    Er gehorchte, und die Lichter der Taschenlampen vollführten einen absurden Tanz, während sie hastig die Stufen erklommen. Jules hätte es schneller geschafft, doch wollte er lieber in Daphnes Nähe bleiben.
    ***
    Marguerite begriff ihre Situation noch immer nicht. Sie hatte gerade Gebrauch von ihrer Dienstwaffe gemacht. Doch seltsamerweise war es ihr nicht gelungen, mit den Schüssen die Tür zu öffnen. Noch beunruhigender fand sie, dass nach der Knallerei niemand auftauchte. Wo trieben sich Daphne und der Junge nur herum? Und war sonst niemand im Haus?
    Sie fragte sich, ob das seltsame Paar vielleicht hierhergekommen war, um irgendein Ritual zu vollziehen. Am Ende handelte es sich noch um eine satanische

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