Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
Redbull-Dosen, Cola und andere Lebensmittel, die die Lernbereitschaft nachhaltig förderten, wurden den überforderten Kassiererinnen auf die Theke gelegt. Eine Viertelstunde später war der Spuk vorbei, die Schüler standen kauend und schluckend auf dem Parkplatz oder zogen weiter. Zurück blieben erschöpfte Kassiererinnen und genervte ältere Kunden. Hilde Auffenberg hatte diesen Schüler-Tsunami schon häufiger beobachtet und fragte sich, woher die Kinder so viel Taschengeld hatten. Dabei gab es seit einem Jahr eine niegelnagelneue Mensa für die beiden Gymnasien, wo das Essen sicherlich besser, gesünder und auch preiswerter war.
Aber noch saß Hilde Auffenberg ganz entspannt da, hatte ihren ersten Kaffee fast ausgetrunken und wartete auf Brigitte Kloppenburg.
Da, nun ging es los! Der Geräuschpegel schwoll von draußen her schnell und heftig an, wie bei einer anbrausenden Flut. Und schon quollen die Massen herein, schimpfend, lachend, plaudernd. Hilde Auffenberg lächelte, als sie ihre Erwartung bestätigt sah. Und da tippte ihr auch schon jemand auf die Schulter. Sie drehte sich um und sah Brigitte Kloppenburg hinter ihr stehen. Die beiden Frauen begrüßten sich. Die Jüngere holte zwei Tassen Kaffee und setzte sich ebenfalls. Sie mussten laut sprechen, um sich verständigen zu können.
»Ich weiß, es ist hier ein bisschen hektisch um diese Zeit«, rief Brigitte Kloppenburg, um den Lärmpegel zu übertönen, »aber ich wollte so schnell wie möglich mit dir sprechen, und das war der kürzeste Weg zu einer Tasse Kaffee. Du musst wissen, dass …«
»Hallo, Frau Kloppenburg!«, wurde sie von zwei freundlichen Schülerinnen begrüßt, die auf dem Weg ins Innere des Supermarktes waren. Frau Kloppenburg lächelte ebenso freundlich zurück und wandte sich wieder ihrer Ex-Kollegin zu.
»Du musst wissen, dass ich völlig mit den Nerven runter bin. Das Problem mit meinem Mann hat sich noch verschärft. Der benimmt sich nun ganz eigenartig. Er …«
»Hallo, Frau Kloppenburg!« Nun stand ein zuckersüßes kleines Mädchen an ihrem Tisch und freute sich, ihre Lehrerin hier zu sehen. Frau Kloppenburg freute sich auch, und die Kleine zog glückstrahlend weiter.
Hilde Auffenberg lachte. »Wie ich sehe, bist du bei deinen Schülern richtig beliebt. Aber jetzt sag mal, was ist mit deinem Mann?«
»Er geht mir aus dem Weg, wo er nur kann, und meidet jedes Gespräch. Ich sage dir, der hat ein schlechtes Gewissen. Ein verdammt schlechtes sogar. Und ich weiß auch, wie das schlechte Gewissen heißt, nämlich Alicija. Na ja, die Geschichte kennst du ja schon. Aber nun habe ich zum ersten Mal Angst. Richtige Angst.«
Hilde Auffenberg setzte sich gerade hin. Das Gespräch nahm eine Wendung, mit der sie nicht gerechnet hatte. In diesem Augenblick kamen zwei elfjährige Bengel vorbei. Hilde Auffenberg konnte trotz des Lärmes deutlich hören, wie der eine zum anderen sagte: »Guck mal, da sitzt die blöde Kloppenburg mit so ´ner Omma!«
Hätte Hilde Auffenberg ihrer Gesprächspartnerin nicht besänftigend die Hand auf den Arm gelegt, wäre diese vermutlich hinter den beiden Jungs hergelaufen, um sie zur Rede zu stellen. So aber ging das Gespräch etwas mühsam weiter.
»Ich glaube nun fast, das Wilfried mir was antun will.« Als Hilde Auffenberg sie entsetzt anstarrte, fuhr sie fort: »Heute Morgen habe ich zufällig etwas gefunden, was mich völlig aus der Fassung gebracht hat. Du weißt ja vielleicht, dass wir zwei Garagen haben, eine für Wilfrieds Auto und eine für meines. Normalerweise gehe ich nie in seine Garage. Was soll ich da auch? Aber heute habe ich gesehen, dass …«
»Frau Kloppenburg«, unterbrach sie eine etwas pummelige Fünfzehnjährige. »Ist es okay, wenn ich mein Referat einen Tag später abgebe? Ich muss heute unbedingt zum Klavierunterricht. Sie wissen doch, ich habe nächste Woche das Konzert.«
Als auch diese Störung behoben war, berichtete Brigitte Kloppenburg weiter: »Also, heute habe ich gesehen, dass er aus dem Haus eine alte Decke mitgenommen hat, als er zur Garage ging. Dann ist er auch nicht gleich losgefahren wie sonst, sondern hat auffällig viel Zeit in der Garage verbracht. Als er dann endlich losfuhr, hat er vorher mehrfach überprüft, ob das Garagentor auch tatsächlich verriegelt war. Das hat mich natürlich misstrauisch gemacht, und sobald Wilfried weg war, habe ich den Ersatztüröffner herausgesucht und das Garagentor geöffnet. Drinnen habe ich mich umgesehen und schon
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