Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
durchs Telefon lächeln zu sehen, mit ihrem wunderbaren, etwas zu breiten Mund. »Ich schalte jetzt mein Handy aus und bin auch sonst bis heute Abend nicht zu erreichen. Versuchen Sie also erst gar nicht erst, unsere Verabredung wieder abzusagen. Bis später, mein Lieber.«
Bis zu dem Anruf hatte Schwiete die Absicht gehabt, die Zeit zu verbummeln. Doch nun hatte er keine Lust mehr dazu. Ganz im Gegenteil: Die Minuten dehnten sich wie eine zähe Masse. Auf die Artikel in der Zeitschrift, die er sich gestern Abend noch gekauft hatte, konnte er sich nicht mehr konzentrieren, und seine Wohnung war perfekt aufgeräumt. Da gab es nichts mehr zu tun. Wie also sollte er, nach dem jüngsten Telefonat, den Tag bis zum Abend ertragen?
Schwiete beschloss sich abzulenken. Sicher saßen Besucher in Hilde Auffenbergs Küche. Meist mied er diese Besucherrunden, weil oft nur Allgemeinplätze und dumme Witze zum Besten gegeben wurden. Sprüche, über die Schwiete nicht lachen konnte. Aber heute verspürte er auf einmal eine unbändige Lust auf solche Nonsensgeschichten.
Als er jedoch wenige Momente später das Informations- und Kommunikationszentrum in der unteren Etage des Auffenbergschen Hauses betrat, war die Küche leer. Nicht einmal einen frisch gekochten Kaffee gab es in der Warmhaltekanne.
Er rief den Namen seiner Vermieterin, doch sie meldete sich nicht. Schwiete klingelte bei Winter an, doch auch sein Wohnungsnachbar schien ausgeflogen zu sein.
Zum ersten Mal in seinem Leben glaubte Schwiete zu wissen, was Einsamkeit war. Er zog sich zurück in seine Wohnung. Wenn er einen Fernseher besessen hätte, dann hätte er ihn jetzt eingeschaltet.
Schon um achtzehn Uhr verließ Schwiete seine Wohnung. Vielleicht kam Karen Raabe ja schon vor der verabredeten Zeit? Doch bei Silo saßen nur wenige Gäste, von denen er keinen einzigen kannte.
Er beschloss, seinem Fisch einen Besuch abzustatten. Doch auch der schien anderweitig unterwegs zu sein. Er schlug immer wieder mit einem kleinen Stöckchen auf die Wasseroberfläche des kleinen Teiches, aber der Fisch tauchte nicht auf.
Zu allem Überfluss fing es an zu regnen. Schwiete ging wieder zurück. Eine prickelnde Wärme durchzog ihn, als er Karen Raabe vor dem unscheinbaren türkischen Restaurant stehen sah.
Sie begrüßten sich sehr förmlich. Doch als sie das Lokal betraten, erlebte Schwiete seine nächste Überraschung.
Der Wirt begrüßte sie wieder mit Handschlag, wie bei ihrem letzten Besuch, sagte aber mit Bedauern, dass er ihnen leider keinen Platz anbieten könne, weil eine geschlossene Gesellschaft das Lokal für eine Geburtstagsfeier gebucht habe.
Ich bin anscheinend nicht der Einzige, der heute Geburtstag hat, dachte Schwiete. Einen kurzen Moment verspürte er den Wunsch, die Person, die am gleichen Datum wie er Geburtstag feierte, kennen zu lernen.
Draußen auf dem Gehweg schien Karen Raabe kurz zu überlegen, wo sie nun hingehen könnten. Schließlich sagte sie lächelnd: »Ich wüsste da was, Herr Schwiete! Vertrauen Sie mir?«
Schwiete nicke. »Wo soll’s denn hingehen?«, fragte er arglos.
»Lassen Sie sich überraschen!«
Karen Raabe zog den etwas verwirrten Schwiete wie einen kleinen Jungen hinter sich her. Sie steuerte direkt auf Hövekens Beerdigungsinstitut zu. Schwiete war ratlos. Was hatte die Frau nur vor?
»Herr Höveken?«, rief Karen Raabe laut. Dann öffnete sie die Tür zum Sarglager, und ehe Schwiete sich versah, schob sie ihn in den dunklen Raum. Kaum hatte sie die Tür hinter sich zugezogen, als eine Festbeleuchtung aufflammte. Winter und seine Band intonierten Happy Birthday , und über fünfzig Menschen sangen mit.
Das war zu viel für Schwiete. Er musste einige Male kräftig schlucken, um seine Emotionen in den Griff zu kriegen.
Alle waren gekommen. Linda Klocke und Karl Kükenhöner. Hilde Auffenberg, die Nachbarn und Künnemeier. Der alte Schützenoberst hatte natürlich seinen besten Anzug angezogen. Zur Feier des Tages, wie er bemerkte. In der Hand hielt er einen dicken Knüppel. Wenn er den neulich nicht bei sich gehabt hätte, wären er und Winter jetzt tot, erzählte er jedem, der es hören oder auch nicht hören wollte. Und wer es nicht glaube, so sagte er, der könne ja das Geburtstagskind fragen.
Einer der Särge war ganz besonders dekoriert worden. Auf ihm stand eine Torte mit einer großen goldenen Fünfzig darauf.
»Ich habe ihn wieder zurück«, freute sich Herbert Höveken. »Mein bestes Stück. Nur gut, dass Willi
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