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Totensonntag

Totensonntag

Titel: Totensonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Jürgen; Tewes Reitemeier
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das Ükernviertel nicht von irgendwelchen Schlägern aus Hamburg regiert wurde.
    Als sie geantwortet hatten: »Ja, Willi, das war früher«, war Künnemeier wütend geworden.
    »Das war nicht früher!«, hatte er seine Kumpel angefahren. »Das war letzten Sommer!«
    »Ach, letzten Sommer, Willi, da ging das alles auch noch besser, aber heute sind wir zu alt für solche Geschichten.«
    Anton Husemann fasste sich, um das Gesagte zu untermauern, mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Rücken. »Ich leide unter Rückenschmerzen, verstehst du, Willi? Das ist kein Zuckerschlecken.«
    Als Künnemeier merkte, dass seine natürliche Autorität nicht zog, hatte er es mit Bitten versucht. Hatte den Kollegen erzählt, dass er Höveken schon ihre Hilfe zugesagt habe.
    Daraufhin hatte Husemann, das Kameradenschwein, süffisant geantwortet: »Tja, Willi, wenn du das versprochen hast, dann musst du das Versprechen auch einhalten. Aber rechne dabei nicht mit mir! Ich habe Rücken.«
    Jetzt reichte es. Künnemeier hatte fünf Euro auf den Stehtisch geknallt, hatte »Stimmt so« gesagt und grußlos die Bäckerei verlassen.
    Jetzt stand er einsam, verärgert und ratlos mitten auf der Straße und wusste nicht mehr weiter. Sollte er zu Höveken gehen und ihn bitten, ihn von seinem Versprechen zu entbinden? Nie! Dazu war Willi Künnemeier zu stolz. Missmutig trat er nach einem imaginären Stein. Da stoppte direkt vor ihm ein Taxi. Auf dem Fahrersitz saß Johannes Winter, der sogleich das Beifahrerfenster herunterließ.
    »Was stehst du denn da im Regen, Willi? Du siehst ja aus wie ein begossener Pudel. Steig ein, ich bringe dich nach Hause.«
    Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her, dachte Künnemeier und ließ sich ächzend auf den Beifahrersitz fallen. Winter war seine letzte Chance. Den musste er überreden oder besser gesagt, den musste er überlisten, ihm, Künnemeier, bei der Aufklärung des Sargdiebstahls zu helfen.
    »Ach, Johnny, das ist doch alles ein Elend!«, lamentierte Künnemeier drauflos. »Da denkst du, du hast Freunde, und dann lassen die dich einfach im Stich. Ich sage dir, heutzutage kannst du dich auf keinen mehr verlassen.«
    Winter wurde neugierig. »Was ist denn los, Willi? Wer hat dich denn so hängen lassen?«
    »Ach, hör auf«, stöhnte Künnemeier. »Dem Höveken, dem haben sie doch den Sarg geklaut.«
    »Was? Dem hat man einen Sarg geklaut? Das wusste ich ja noch gar nicht. Wer war das denn?«
    »Genau das wollte ich ja mit meinen Schützenbrüdern herauskriegen. Aber die wollen mir nicht helfen. Jeder von denen hat ein anderes Zipperlein. Der eine hat Rücken, der andere Prostata, alles alte Männer, mit denen kannst du keinen Blumenpott mehr gewinnen. Bring mich mal zu Höveken. Ich sage dem am besten gleich, dass er mit uns Schützenbrüdern nicht zu rechnen braucht.«
    Winter überlegte einen Moment. »Nun warte doch mal, Willi. Okay, deine Schützenbrüder sind alt.«
    Winter machte eine rhetorische Pause. Dann sah er in das erwartungsvolle Gesicht des Schützenbruders und fuhr fort: »Aber ich bin ja auch noch da. Ich habe Zeit! Und außerdem hat Höveken mich doch damals in seinem Sarglager versteckt. Der wollte mir helfen und hatte später ziemliche Unannehmlichkeiten. Ich bin ihm wirklich noch einen Gefallen schuldig. Willi, ich helfe dir.«
    »Überleg dir das genau«, gab Künnemeier, schlitzohrig wie er war, zu bedenken. »Ich meine, so eine Verbrecherjagd ist nicht ungefährlich. Da kann schon mal was passieren. Ich weiß nicht, ob ich das verantworten kann, dich so ohne Weiteres auf die größten Verbrecher Paderborns loszulassen. Ich meine, wenn die Särge klauen, dann machen die ja nicht mal vor dem Tod halt.«
    Jetzt fühlte sich Winter bei seiner Ehre gepackt. »Also, weißt du, Willi, das mit dem Sargdiebstahl, das ist doch Kinderkacke. Ich habe bei meinen Auftritten als Musiker schon ganz andere Dinge erlebt. Nee, lass mal gut sein, ich bin dabei!«

27
    Wilfried Kloppenburg saß wie immer um sechs Uhr am Frühstückstisch. Den Lokalteil der Tageszeitung hätte er beinahe schon auswendig vortragen können, so oft und so intensiv war er ihn Zeile für Zeile auf der Suche nach einer Meldung durchgegangen, die sich auf das explodierte Haus und die dabei umgekommene junge Frau bezog. Selbst zwei Tage danach war die Explosion noch immer das Topthema. Den Stellungnahmen von Polizei und Feuerwehr war zu entnehmen, dass die Explosion durch entwichenes Gas aus

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