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Toter geht's nicht

Toter geht's nicht

Titel: Toter geht's nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faber Dietrich
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Kindertagesstätte Schlumpfloch e.V. Richtig … nicht Schlupfloch, sondern Schlumpfloch.
    Calvin-Manuels Eltern sind Wolle und Molli und sehen aus, wie sie heißen.
    Wolle schreibt seit vierzehn Jahren an einer Philosophie-Doktorarbeit. Er hat somit genügend Zeit, sich als Vorsitzender des Elternvereins wichtig zu machen. Er mag mich nicht. Und das wiederum mag ich nicht. Ich konnte noch nie damit umgehen, dass mich jemand nicht mag, selbst wenn ich diesen Jemand selber gar nicht ausstehen kann. Und das ist bei Wolle der Fall. Wolle ist 44 Jahre alt, hört am liebsten Franz-Josef Degenhardt auf Vinyl und ist der unumstrittene Diktator unseres basisdemokratischen Kindergartens. Wolle gehört zu der bärtigen Spezies Mann, von der man glaubt, dass es sie nicht mehr gäbe.
    Und Molli ist mollig.
    Franziska sieht blass aus. Sie steht nun direkt vor der Fernsehhälfte, in der Oka Nikolov das Tor hütet. Ich entscheide mich dafür, die Liegeposition auf dem Sofa zu verlassen, und setze mich auf. Ich blicke sie an. Sie sagt:
    «Wir haben Molle und Wolli …»
    «Wolle und Molli», korrigiere ich.
    «Jaaah, mein Gott, wir haben sie beim Umzug getroffen. Laurin wollte mit Manuel-Calvin …»
    «Calvin-Manuel!», korrigiere ich sie wieder und komme mir dabei noch nicht einmal originell vor.
    «FRESSE!!», schreit sie plötzlich. «Henning, es reicht!» Ich zucke zusammen, schaffe es aber nicht, den Freistoß von Caio komplett zu ignorieren. Weniger aus Ignoranz, mehr aus Unsicherheit. Er landet in der Mauer.
    «Kannst du vielleicht einmal diese Scheißkiste ausmachen!»
    Auch eine Frage, die keine ist. Kurz bevor ich den Ausschalter drücken will, fällt gerade das 1:0 für Nürnberg. Auch das noch. Nikolov läuft mal wieder bei einer Ecke unter dem Ball durch.
    «Mach die Glotze aus!»
    So laut habe ich sie in all den Jahren niemanden anschreien gehört. Nicht einmal Melina.
    «Na ja, jetzt reg dich doch mal nicht gleich so auf», versuche ich etwas hilflos zu beschwichtigen.
    «Gleich? Ich soll mich nicht gleich so aufregen? Seit Monaten reiße ich mich am Riemen, um nicht völlig auszurasten, und du sagst, ich soll mich nicht gleich aufregen?»
    Nun gucke ich vermutlich wieder wie Berlusconi.
    «Was ist das denn hier bitte?», schreit sie weiter. «Von dir kommt nichts . Du ziehst dich nur noch zurück. Die ganze Scheiße bleibt an mir hängen. Ach, ich hab keinen Bock mehr, das immer wieder durchzukauen. Ich gehe morgens in die Schule, habe Hunderte von Schülern am Hals, hol dann Laurin aus dem Kindergarten, koche Essen, lass mich von Melina beschimpfen, bereite den Unterricht für den nächsten Tag vor, bis irgendwann mein Mann zwar physisch eintrifft, aber doch nicht vorhanden ist. Da ist kein Interesse an den Kindern, an mir, an nichts, was hier ist. Da seh ich nur Selbstmitleid und Zynismus.»
    «Na ja, also, äh, so würde ich das jetzt nicht …», versuche ich sie erneut zu besänftigen.
    «Henning, ich kann nicht mehr, ich bin fertig. Ich habe die Nase voll. Verstehst du? Ich will das so nicht mehr. Ich gehe auf dem Zahnfleisch, verstehst du?»
    «Hmm», mümmele ich.
    «Ich bin ausgebrannt.»
    «Na ja, das ist ja jetzt so ’ne Art Mode …»
    «Sag jetzt nichts Falsches!», schreit sie. Noch lauter als zuvor.
    «Hmm …»
    «Ich kann so nicht mehr … so … ich dreh durch, so geht es nicht.»
    «Hmm …»
    Stille.
    «Hmm», mache ich dann noch ein weiteres Mal, um die Stille zu beenden.
    Franziska zittert. Auf ihrer Stirn sehe ich kleine Schweißperlen. Ihre Hände hat sie zu Fäusten geballt.
    Das hier ist kein normaler Streit. Das hier ist etwas anderes. Das geht weiter. Das ist etwas, das ich nicht kenne. Da ist irgendein ungutes Gemenge aus Wut, Panik und Trauer zu spüren. Es macht mir Angst. Ich weiß nicht mehr, was ich sagen soll.
    Franziska atmet dreimal durch, dann sagt sie:
    «Ich muss weggehen … in eine Klinik oder so. Abstand brauch ich, irgendwie.»
    Sie beginnt zu weinen. Noch immer zittert sie.
    Unbeholfen versuche ich sie zu umarmen
    «Fass mich jetzt nicht an», sagt sie darauf kaum hörbar. Hilflos ziehe ich meine Arme zurück und starre durch das Fenster ins Vogelsberger Nichts.
    «Ich gehe jetzt. Verstehst du das?»
    Gehen? Nein, das verstehe ich nicht.
    «Ja … aber die Kinder und alles …?»
    «Genau, du sagst es … die Kinder und alles …», sagt Franziska dann und starrt an mir vorbei.
    Und genau in diesem Moment klingelt, ohne ein Spur von Sensibilität, mein

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