Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
Vom Netzwerk:
liebten diese Stelle und hatten keiner Menschenseele davon erzählt. Also erschien es mir der richtige Platz, um ihn zu suchen.«
    »Außer Ihnen beiden wusste niemand von der Bucht?«
    »Nur ich und Alex. Und jetzt Sie, schätze ich.«
    Sie sah mich mit halb geschlossenen Augen an, als hätte sie noch etwas hinzuzufügen. Als sie nichts sagte, erhob ich mich zum Gehen.
    »Warten Sie einen Moment«, sagte sie und legte eine Hand auf meinen Arm. Dann errötete sie leicht und zog ihn wieder fort.
    Ich schaute sie an. »Gibt es noch etwas anderes?«
    Kathy nickte. »Die Höhle … Wenn Sie ganz bis zum Ende gehen, sehen Sie einen Felsen, der wie eine Pfeilspitze geformt ist, die nach oben deutet. Darauf ist ein schwarzes Kreuz gemalt. Wenn Sie es sehen, graben Sie genau darunter, und Sie werden eine Dose finden, die ich dort für Alex vergraben habe. Darin sind ein paar alte Briefe und Fotos – und eine Geburtstagskarte. Das war das letzte Mal, dass ich von ihm gehört habe.«
    »Die Geburtstagskarte?«
    »Ja.«
    »Gab er Ihnen die Karte, ehe er zu seinen Eltern fuhr?«
    »Nein. Er schickte sie von dort. Als sie bei mir ankam, war er schon verschwunden.«
    »Ich werde mich dort einmal umsehen«, sagte ich.
    »Ich weiß nicht, was Sie finden werden«, erwiderte sie und blickte hinab auf ihren Schoß. »Aber bei unserer letzten
Begegnung, bevor er verschwand, sagte er etwas Eigenartiges zu mir: Dass wir die Stelle vor dem Felsen benutzen sollten, um Nachrichten zu deponieren, falls wir jemals getrennt würden.«
    »Getrennt? Was meinte er damit?«
    »Ich weiß es nicht. Ich meine, ich habe ihn natürlich gefragt, aber er hat es nie richtig erklärt. Er sagte nur, dass dies unser Platz wäre, für den Fall der Fälle. Der Platz, an dem ich zuerst nachschauen sollte.«
    »Und, hat er irgendwann etwas für Sie hinterlassen? Irgendeine Nachricht?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Haben Sie regelmäßig nachgesehen?«
    »Ich bin seit ein paar Jahren nicht mehr dort gewesen. Aber eine Zeit lang fuhr ich immer wieder hin, grub die Dose aus und betete, dass ich etwas von ihm finden würde. Bis er dann starb.«
    »Aber Sie fanden nichts?«
    Sie antwortete nicht. Das war nicht nötig.

6
    Als ich Kathy verließ, begann der Himmel bereits ein wenig von seiner Farbe zu verlieren. Ich schloss den Wagen auf, warf meine Notizen auf den Rücksitz und schaute auf die Uhr. Halb vier. Ich hatte noch etwas zu erledigen, ehe ich nach Hause fahren konnte. Etwas, für das mir am Tag zuvor die Kraft gefehlt hatte.
    Unterwegs hielt ich bei einer Blumenhandlung und kaufte einen Strauß Rosen und ein paar weiße Nelken. Die nächsten zwanzig Minuten verbrachte ich im dichten Verkehr. Als ich endlich die Einfahrt zum Hayden Cemetery erreichte, war
die Sonne schon fast am Horizont verschwunden. Auf dem Parkplatz flackerten gerade die Laternen auf. Der Ort wirkte völlig verlassen. Keine anderen Autos. Keine Menschen. Keine Geräusche. Der Friedhof lag nicht weit von der Holloway Road entfernt und eingezwängt zwischen Highbury und Canonbury. Trotzdem war es unnatürlich ruhig, als hätten die Toten sämtliche Geräusche mit sich hinabgenommen. Ich schaltete den Motor aus, blieb einen Moment sitzen und fühlte, wie die Wärme aus dem Auto wich. Dann zog ich meinen Mantel an und stieg aus.
    Das Eingangstor war groß und wunderschön – ein riesiger, schwarzer, eiserner Bogen, in den kunstvoll der Name Hayden gewoben war. Als ich hindurchging, sah ich Blätter, die an beide Seiten des Weges geschoben worden waren und dort Hügel bildeten, auf denen sich Rostflecken von einer Schaufel abzeichneten. Das Gefühl eines Déjà-vu-Erlebnisses blitzte auf. Im nächsten Moment war es schon wieder verschwunden. Vor anderthalb Jahren war ich genau an dieser Stelle gewesen, hatte denselben Boden betreten. Nur dass damals Derryn bei mir gewesen war.
    The Rest , wo sie begraben lag, war ein abgetrenntes Areal. Hohe Bäume umgaben es an allen Seiten. Außerdem hatte man Trennwände errichtet, um Sektionen mit jeweils vier oder fünf Grabsteinen zu schaffen. Als ich an das Grab trat, sah ich die Blumen, die ich vor einem Monat hergebracht hatte. Sie waren verwelkt. Blätter klebten am Grabstein, und die Stängel hatten sich in Brei verwandelt. Ich kniete nieder und warf die alten Blumen weg, dann stellte ich die neuen am Fuß des Grabes auf, wobei sich die Dornen der Stängel in den Falten meiner Hand verhakten.
    »Tut mir leid, dass ich gestern nicht gekommen bin«,

Weitere Kostenlose Bücher