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Totgesagt

Totgesagt

Titel: Totgesagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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fragte ich ihn.
    »Tja, ich bezweifle, dass Sie Simon überhaupt finden.«
    »Warum?«
    »Er ist irgendwie … verschwunden.«
    »Verschwunden?«
    »Er hatte ein paar Probleme.«
    »Welche Art Probleme?«
    Pause. »Überwiegend mit Drogen.«
    »Verschwand er zur selben Zeit wie Alex?«
    »Nein. Eine Weile danach.«
    »Können Sie sich vorstellen, dass er ihm gefolgt ist?«
    »Das bezweifele ich«, sagte er. »Am Ende kam Alex mit Simon nicht mehr klar. Keiner von uns tat das. Er war ein anderer Mensch in diesen letzten paar Monaten. Er … na ja, er hat eines Abends, als er high war, Kath geschlagen. Und das hat Alex ihm nie verziehen.«

    Ich legte das Telefon auf den Schreibtisch und drehte mich in meinem Stuhl um. Auf dem Korkbrett hinter mir, zwischen den Fotos des Verschwundenen, hing die handgezeichnete Karte eines Strandes.
    Schon jetzt wurden meine Optionen immer spärlicher.
     
    Als ich fünf Stunden später Cornwall erreichte, ließ sich der Winter nicht mehr ignorieren. Die herbstlichen Farben wichen einer blass gemusterten Decke aus Feldern und Städten. Gut sechzig Kilometer vor Carcondrock hielt ich an einem Café und nahm ein spätes Mittagessen zu mir. Die Aussicht war hübsch. Durch die Fenster sah ich auf die Windkrafträder von Delabole, die sich sanft in der Brise des frühen Nachmittags drehten.
    Carcondrock selbst bestand aus einer malerischen Hauptstraße mit Geschäften zu beiden Seiten und Häusern in den zurückliegenden Hügeln. Es wurde eingerahmt vom Atlantik und den unscharfen Umrissen der Scilly Isles. Der Strand verlief parallel zur Einkaufsstraße, während die Ortsdurchfahrt sich aus dem Dorf hinaus und hoch auf die Kante einer mächtigen Klippe wand. Je höher die Straße führte, desto größer wurden die Häuser und desto atemberaubender war die Aussicht. Unten, am Fuß der Klippe, lief der Strand aus und wurde von kleinen sandigen Buchten abgelöst, die sich wie an einer Kette aufgereiht die ganze Strecke an der Küste entlangzogen.
    Ich entdeckte einen Parkplatz zwischen Strand und Dorf und machte mich, mit einem Foto von Alex bewaffnet, auf den Weg zum größten Geschäft, einem Gemüseladen. Niemand dort kannte ihn. Im hinteren Teil der Einkaufsstraße, wo sie an der Seeseite der Klippe leicht anstieg, gab es eine alte Holzhütte. Dahinter lagen ein Pub und eine hübsche Kirche, an deren Wänden wilder Wein hochwucherte.
Alles wirkte wie aus einer anderen Zeit: uralte graue Wände, schiefe Fenster unter Schieferdächern. Warum Kathy und Alex diesen Ort geliebt hatten, lag auf der Hand. Kilometerlanger einsamer Strand. Das Brüllen des Meeres. Die an Kreideflecken erinnernden, zwischen dem hügeligen Buschwerk verstreut liegenden Häuser.
    Ich nahm die Karte zur Hand, die Kathy mir gezeichnet hatte, und ging ein Stück die langsam ansteigende Straße hinauf. Auf halber Höhe beugte ich mich über die Kante der Klippe und entdeckte mein Ziel. Sechzig Meter unter mir lag ein perfekter Halbkreis von Sandstrand, auf drei Seiten von hohen Felswänden und an der vierten vom Ozean begrenzt. Schäumende Wellen schlugen ans Ufer.
    Die einzige Möglichkeit, dorthin zu gelangen, war mit einem Boot.
     
    Die Holzhütte, an der ich zuvor vorbeigekommen war, entpuppte sich als Bootsverleih. Als ich dort ankam, dämmerte es bereits, und der alte Mann, dem der Laden gehörte, wollte gerade abschließen. Hinter ihm dümpelten vier an einem Anleger befestigte Boote im Wasser.
    »Komme ich zu spät?«
    Er drehte sich um und betrachtete mich. »Was?«
    »Ich möchte für eine Stunde ein Boot mieten.«
    »Es ist dunkel«, entgegnete er.
    » Fast dunkel.«
    Er schüttelte den Kopf. »Es ist dunkel .«
    Ich musterte ihn von oben bis unten. Ein rot-grün kariertes Hemd; violette Hosenträger, die eine gigantische blaue Hose hielten; gelbe, schlammverkrustete Stiefel; ein widerspenstiger weißer Bart. Er sah aus wie das uneheliche Kind einer Liaison von Captain Birdseye und Ronald McDonald.
    »Wie viel?«, fragte ich ihn.

    »Wie viel was?«
    »Wie viel für eine Stunde?«
    »Sind Sie taub ?«
    »Entschuldigung, ich hab Sie nicht verstanden.«
    Er musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. »Willst du mich verscheißern, Jungchen?«
    »Hören Sie«, sagte ich, »ich zahle den doppelten Preis, egal, wie viel. Ich brauche bloß für eine Stunde ein Ruderboot. Und eine Taschenlampe, falls Sie eine haben. Bis sieben Uhr bringe ich Ihnen alles zurück.«
    Er spitzte die Lippen, dachte über mein

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