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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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dem wilden Reißen am Seil, daß dem anderen Atemluft fehlte. Obschon das Risiko einer Lähmung erheblich war, beschloß er, den Taucher sofort hochzuziehen.
    Laute Rufe trommelten die Mannschaft auf dem Logger zusammen. Die Männer an der Handpumpe arbeiteten wie besessen, um wenigstens etwas Atemluft an dem Leck vorbei durch den Schlauch zu pressen und den Taucherhelm mit dem Atem des Lebens zu füllen.
    Der Taucher spürte, wie der Druck zunahm. Stechende Schmerzen jagten durch seine Gelenke, als sein Körper wie eine Marionette im Wasser emporschwang und dabei regelrecht erdrückt wurde, da man ihn zu schnell an die rettende Luft zu befördern suchte.
    In den letzten Sekunden, die er bei Bewußtsein war, hoffte er inständig, die anderen würden das Leck im Schlauch schnellstmöglich flicken und ihn gleich wieder in die Tiefe ablassen, wo er einige Stunden bleiben würde, bis sein Körper sich wieder an die Druckverhältnisse angepaßt hätte.
    Es gibt wundersame Geschichten und Legenden vom Überleben und genauso viele von schrecklichen Schicksalen, die so manchen Taucher ereilten. Es gab den Tod unter Wasser, verursacht durch heimtückische Strudel, gefährliche Strömungen oder verborgene Krater, die einen Taucher einfach verschluckten, oder durch unglückselige Begegnungen mit Teufelsrochen, Schwertfischen, Haien oder Walen. Über Wasser konnten die Beriberi-Krankheit, Zyklone, Schiffbruch und meuternde Besatzungen ebenso leicht zum Tod führen. Ein Taucher mochte wohl überleben, war aber dann zu einem Landleben als elender Krüppel verdammt. Die Straßen von Broome wimmelten von menschlichen Wracks, die lieber als Taucher umgekommen wären, als ein Leben als Davongekommener zu fristen.
    Sie wußten um die Gefahren, dennoch wagten sie das Risiko.
    Der Logger neigte sich, als sich alle Mann über Bord beugten. Der triefende Taucher wurde an Deck gehievt, die schweren Stiefel und der Kupferhelm krachten auf die Planken.
    Beim Anblick der schwärzlichen Hautfarbe durch das Helmfenster hindurch schüttelten die Männer den Kopf. Der Helm wurde abgeschraubt und das schreckliche Gesicht freigelegt … Die Augen quollen hervor, ein Augapfel hing bis auf die Wange, Blut strömte aus Ohren, Nase und Mund. Während die Körper einiger Taucher so fest in Anzug und Helm gepreßt waren, daß man sie herausschneiden mußte, bestand hier noch Hoffnung auf einen Funken Leben. Die Männer schraubten den Helm wieder fest, flickten den Atemschlauch und ließen den Taucher ins Wasser zurückgleiten.
    Ein Taucher begleitete ihn, verharrte neben ihm und wartete in der unheimlichen Grabesstille des Meeres. Er regulierte den Druck im Taucheranzug und im Taucherhelm in der vagen Hoffnung, die schwarz gewordene Haut möge wieder einen rosigen Schimmer annehmen und der geschundene Schädel sich wieder aufrichten.
    Die beiden Taucher schwebten eine gute Stunde lang nebeneinander im Wasser. Schließlich gab der zweite Taucher das Zeichen zum Hochziehen. Er hoffte inständig, wenn seine Zeit gekommen sei, möge sein Tod unter Wasser kurz und schmerzlos sein.
    Der tote Taucher wurde aus seinem Anzug geschält. Der Logger löste sich aus der Taucherflotte und nahm Kurs auf Broome, die Männer an Deck machten sich wieder an das Aufbrechen der Perlmuscheln.
    Die erste Muschel aus dem Korb des toten Perlentauchers gab eine makellose zartrosa Perle frei. Ihre Schönheit würde einmal in einer fernen Stadt den Hals einer vornehmen Dame schmücken – aber zu welch hohem Preis wurde sie geborgen!

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    Erstes Kapitel
    Sydney 1995
    L ily saß im Schlafzimmer ihrer Mutter auf dem Fußboden und kam sich wie ein Eindringling vor. Um sie herum lagen Schubladen voller Unterwäsche, persönliche Papiere, Schmuck, zwei Hutschachteln mit Reiseandenken und allerlei Erinnerungsstücke. Auf dem Bett türmten sich Schuhe und Kleidungsstücke. Der Duft von ›Blue Grass‹, dem Parfüm ihrer Mutter, hing in der Luft, und Lily wünschte, sie könnte weinen.
    Sie hatte das Aussortieren der persönlichen Dinge ihrer Mutter solange wie möglich hinausgeschoben. Nun, da seit dem Begräbnis mehrere Wochen vergangen waren und die Wohnung verkauft werden sollte, duldete die Angelegenheit keinen Aufschub mehr.
    Es wurde allmählich dämmerig. Lily stand auf, machte Licht und goß sich ein Glas Wein ein.
    Wie hatte es nur geschehen können, daß sie ihrer eigenen Mutter nie wirklich nahegekommen war und sich nicht bewußt geworden war, daß sie keine Familie

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