Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
Vom Netzwerk:
erklären wie eine Matheaufgabe.«
    »Dann erkläre es mir anders.«
    Flora schwieg und starrte geradeaus.
    »Kannst du es überhaupt erklären?«
    Flora schloss die Augen, dann begann sie leise: »Ich habe eine Hülle. Die heißt Flora. Die kennen alle. Aber keiner weiß,
     was ich weiß: Diese Flora ist innen hohl.« Flora holte tief Luft. »Damit es keiner merkt, habe ich die Hülle schön bunt und
     laut gemacht. Alle mögen diese Hülle. Aber das, was darunter verborgen ist, mag keiner. Da ist nichts, was man mögen könnte.
     Nur Leere.« Flora öffnete langsam die Augen. »Ich bin unsichtbar. Hier drin, da bin ich ganz klein. Manchmal weiß ich nicht,
     ob ich noch da bin. Dann muss ich mich spüren. Es muss wehtun.«
    Trixi sah auf Floras Brust, auf die Stelle, auf die sie eben gezeigt hatte. Sie kannte Flora seit elf Jahren. Sie hatten sich
     fast jeden Tag gesehen. Sie waren wie Schwestern. Sie waren sich so nah. Und standen doch die ganze Zeit nur nebeneinander.
    Wie Blitze schlugen Wortfetzen in Trixis Kopf ein:
     
    GRAUSAMER FUND AM TELPENER BADESEE
    zahlreiche Schnittwunden
    DER BRUTALE MESSERSTECHER VOM SEE
    außerdem werde ich vielleicht noch nicht mal sechzig
    ich WILL mich an nichts erinnern
    VERRECKE, du Schlächter!
    Blutgemetzel lassen mich kalt
    Du musst mir einfach glauben.
Bitte.
     
    Beim letzten Gedanken zog sich Trixis Magen krampfhaft zusammen. »Wieso er?«, brachte sie schließlich heraus.
    Flora sah Trixi fragend an.
    »Hagen. Wieso?« Trixi sah, wie Flora sich innerlich wand. »Kannst du das auch nicht einfach so erklären?«
    »Doch. Er hätte alles kaputt gemacht. Er hatte ein paar Tage vor der Sache am See ein Messer im Bad gefunden, nachdem ich
     geduscht hatte. Ich glaube nicht, dass noch Blut dran war. Darauf habe ich immer geachtet. Immer, wenn ich   ...« Flora schluckte. »Trotzdem dachte ich, er könnte Verdacht schöpfen. Er könnte der Polizei etwas sagen.«
    »Hat er offenbar nicht.«
    Flora schüttelte den Kopf.
    Trixi musterte die Person, die eben noch ihre Freundin gewesen war. »Das ist nicht alles, stimmt's?«
    Flora presste die Lippen aufeinander, bevor sie antwortete: »Ich wollte ihn nicht anzeigen. Wirklich nicht. Ich will auch
     nicht, dass er verurteilt wird.«
    »Wieso hast du ihn angezeigt, wenn du genau weißt, dass er unschuldig ist? Wie kannst du so etwas tun? Du zerstörst sein Leben.
     Einfach so. Mit ein paar gelogenen Worten.« Trixis Stimme war voller Hass.
    »Das war Karolines Idee«, begann Flora stockend. »Es begann an diesem Mutter-Tochter-Tag. Ich wusste genau, dass sie mir sagen
     wollte, dass sie mit Götznach Italien zieht. Ich wusste nicht, wie ich sie aufhalten konnte, sie hat über alles gestrahlt, ich wollte sie schocken,
     wollte, dass sie mir zuhört. Endlich einmal richtig zuhört, ohne vorgefasste Meinung. Für sie war doch schon klar, dass ich
     zu einer Psychotante gehöre. Sie wollte mich auf die Couch abschieben.«
    Trixi sah Flora ungläubig an. »Und da hast du ihr erzählt, Hagen hätte dich am See überfallen?«
    »Nicht direkt. Eigentlich wollte ich Hagen nur miesmachen. Wegen Götz. Auch wegen der Sache mit dir. Ich habe ihr von dem
     Buch erzählt, das ich bei Hagen gefunden hatte. Sie wollte es sofort sehen. Sie war total geschockt und dann bohrte sie nach,
     fragte immer wieder nach dem Abend am See. Ich habe nur ein paar Andeutungen gemacht. Sie hat mir geglaubt, wollte sofort
     zur Polizei. Es ging alles so schnell. Ich konnte dann dort doch nicht mehr sagen, dass ich mich geirrt habe.«
    Trixi sah auf Floras Mund. Sie hörte, was sie sagte, aber es dauerte einen Moment, bis sie alles verstanden hatte. Bis ihr
     Gehirn sich nicht mehr dagegen wehrte, es zu verstehen. Am liebsten wäre sie aus der Umkleide gerannt und hätte die Kabine
     samt Flora und allen Erinnerungen an sie für alle Ewigkeit in einem schwarzen Loch versenkt. »Du bist echt erbärmlich, Flora
     Duve«, sagte Trixi langsam.
    »Aber   ... ich hab doch nur, ich wollte doch nur   ...«
    »Du hast deine eigene Tat vertuscht, bist den Freund deiner Mutter losgeworden und den Freund deiner besten Freundin gleich
     noch dazu. Gratulation.«
    »Nein, nein, das verstehst du nicht. Ich habe das nicht mit Absicht getan.« Floras Augenlider zuckten. »Ich wollte doch nur   ... nicht allein sein. Das sollte alles gar nicht so passieren. Das am See, das war nur für Andro. Das ging keinen was an.
     Und dann kam die Polizei, schleppte Patrick an. Ich musste

Weitere Kostenlose Bücher