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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Herr. Herr Marger ist fort. Die Dame, Sie und Herr Staave sind nun zu dritt hier. Darf ich servieren, oder soll man auf die Dame warten?«
    »Wir warten lieber«, beeilte sich Olaf zu antworten.
    Anständiger Kerl. Das Mädchen kam gerade herein. Sie hatte dasselbe Röckchen an wie gestern, und ihr Haar war etwas feucht, als wäre sie aus dem Wasser gekommen. Ich stellte ihr Olaf vor, der sich ruhig, würdevoll gab. Nie verstand ich es, so würdevoll zu sein. Wir unterhielten uns. Sie sagte, daß ihr Mann jede Woche drei Tage lang aus beruflichen Gründen wegfahren müsse und daß das Wasser im Schwimmbecken, trotz der Sonne, nicht so warm wäre, wie es sein könnte. Dieses Gespräch riß bald ab, und obwohl ich mir die größte Mühe gab, konnte ich kein weiteres Thema finden. Ich saß und aß nur, die beiden gegensätzlichen Gestalten mir gegenüber. Ich merkte, daß Olaf sie ansah, aber nur, wenn ich mit ihr sprach und sie mich anschaute.
    Sein Gesicht war ganz ausdruckslos, als dächte er die ganze Zeit an etwas anderes.
    Zum Schluß des Mittagessens kam der weiße Roboter und sagte, das Wasser im Schwimmbecken würde für den Abend gewärmt sein, wie Frau Marger es sich gewünscht hatte. Frau Marger dankte und ging nach oben. Wir blieben zu zweit. Olaf sah mich an, und wieder wurde ich schrecklich rot.
    »Wie ist denn das bloß«, meinte Olaf, indem er sich die von mir gereichte Zigarette in den Mund steckte, »daß ein Kerl, der fähig war, in dieses stinkende Loch auf Kerenea einzusteigen, ein alter Gaul - nein, nein, kein Gaul! -, ein altes Nashorn vielmehr, von einhundertfünfzig Jahren auf einmal anfängt…«
    »Bitte, laß das sein«, brummte ich. »Wenn du es genau wissen willst: ich würde da noch einmal hineinsteigen, aber…« Ich beendete den Satz nicht.
    »Gut. Werde nichts mehr sagen. Ehrenwort. Aber weißt du,
    Hal, verstehen kann ich dich. Und würde wetten, daß du nicht weißt, warum…«
    Mit dem Kopf deutete er in die Richtung, in der sie verschwunden war.
    »Warum?«
    »Ja. Weißt du es?«
    »Nein. Du aber auch nicht.«
    »Doch. Soll ich’s sagen?«
    »Bitte. Nur keine Schweinereien dabei.«
    » Du bist wirklich verrückt«, entrüstete sich Olaf. »Die Sache ist doch ganz einfach. Du hattest nämlich schon immer diesen Fehler
    - was unter deiner Nase war, bemerktest du nicht, nur immer dort, weit in der Ferne, alle diese Cantoren, Korybasileen…«
    »Mach kein Theater.«
    »Ich weiß, es ist Pennälerstil, aber wir wurden doch in unserer Entwicklung gehemmt, als man hinter uns die sechshundertachtzig Schrauben fest angezogen hat. Weißt du das?« »Ja. Und weiter?«
    »Sie ist ganz wie die Mädchen aus unserer Zeit. Hat kein so ekelhaftes Zeug in der Nase, auch keine Teller an den Ohren, auch keine leuchtenden Zotteln auf dem Kopf, starrt nicht vor Gold. Ein Mädchen, das du auch in Ceberto oder in Apprenous treffen könntest. Kann mich an genau solche gut erinnern. Das ist alles.«
    »Hol mich der Teufel«, sagte ich leise. »Mag schon stimmen. Ja. Aber einen Unterschied gibt es doch.« »Na?«
    »Das, was ich dir bereits gesagt habe. Gleich am Anfang. Da-
    mals habe ich mich nicht so benommen. Und um die zu sagen, konnte ich mir auch kaum vorstellen.., ich hielt mich eben für ein ruhiges, stilles Wässerchen.«
    »Hat sich was. Schade, daß ich kein Bild von dir gemacht habe, damals, als du aus diesem Loch auf Kerenea gekrochen bist. Da hättest du schon was vom stillen Wässerchen gemerkt. Mensch, ich dachte.., ach!«
    »Hol doch der Kuckuck Kerenea mitsamt allen ihren Höhlen und dem ganzen Rest«, schlug ich vor. »Weißt du, Olaf, ehe ich herkam, war ich bei einem Doktor. Juffon heißt er. Netter Kerl. Bereits über achtzig, aber…«
    »Das ist unser Los«, meinte Olaf ruhig. Er atmete den Rauch aus, sah zu, wie er über eine zartlila Blume, die an eine ausgewachsene Hyazinthe erinnerte, zerfloß, und setzte dann fort:
    »Am wohlsten fühlen wir uns unter solchen Greisen. Mit einem sooo langen Bart. Wenn ich daran denke, bekomme ich die Krätze. Weißt du was? Wir sollten uns eine Menge Hühner anschaffen. Denen können wir dann die Hälse umdrehen.«
    »Hör auf mit dem Blödsinn. Also, dieser Doktor, weißt du, hat mir so manche ganz gescheiten Dinge gesagt. Daß wir keine -gleichaltrigen Freunde haben können, natürlich haben wir auch keine Angehörigen mehr, und es bleiben uns nur die Frauen.
    Aber eine Frau wäre jetzt viel schwerer zu finden als mehrere.
    Und recht hat er.

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