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Transparenzgesellschaft

Transparenzgesellschaft

Titel: Transparenzgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Byung-Chul Han
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Schau gestellte Lust ist keine. Der Ausstellungszwang führt zur Entfremdung des Körpers selbst. Der Körper wird zu einem Ausstellungsobjekt verdinglicht, das es zu optimieren gilt. Es ist nicht möglich, in ihm zu wohnen. Es gilt, ihn auszustellen und ihn dadurch auszubeuten. Ausstellung ist Ausbeutung. Der Ausstellungsimperativ vernichtet das Wohnen selbst. Wird die Welt selbst zu einem Ausstellungsraum, so ist das Wohnen nicht möglich. Das Wohnen weicht dem Werben, das dazu dient, das Aufmerksamkeitskapital zu erhöhen. Wohnen heißt ursprünglich »zufrieden sein, zum Frieden gebracht, in ihm bleiben«. 25 Der permanente Ausstellungs- und Leistungszwang bedroht diesen Frieden. Auch das Ding im Heideggerschen Sinne verschwindet ganz. Es ist nicht ausstellbar, denn es ist rein mit dem Kultwert erfüllt.
     
    Obszön ist die Hypervisibilität, der jede Negativität des Verborgenen, des Unzugänglichen und des Geheimnisses fehlt. Obszön sind auch die glatten Ströme der Hyperkommunikation, die frei von jeder Negativität der Andersheit ist. Obszön ist der Zwang, alles der Kommunikation und Sichtbarkeit auszuliefern. Obszön ist die pornografische Zur-Schau-Stellung des Körpers und der Seele.
     
    Der Ausstellungswert hängt vor allem vom schönen Aussehen ab. So erzeugt der Ausstellungszwang einen Schönheits- und Fitnesszwang.
    Operation Schönheit verfolgt das Ziel, den Ausstellungswert zu maximieren. Die heutigen Vorbilder vermitteln keine inneren Werte, sondern äußere Maße, denen man, auch unter Anwendung gewaltsamer Mittel, zu entsprechen sucht. Der Ausstellungsimperativ führt zu einer Verabsolutierung des Sichtbaren und des Äußeren. Das Unsichtbare existiert nicht, weil es keinen Ausstellungswert, keine Aufmerksamkeit erzeugt.
     
    Der Ausstellungszwang beutet das Sichtbare aus. Die glänzende Oberfläche ist auf ihre Weise transparent. Man befragt sie ja nicht weiter. Sie besitzt keine hermeneutische Tiefenstruktur. Auch das face ist das transparent gewordene Gesicht, das die Maximierung des Ausstellungswertes anstrebt. Der Ausstellungszwang beraubt uns letzten Endes unseres Gesichtes. Es ist nicht mehr möglich, das eigene Gesicht zu sein. Die Verabsolutierung des Ausstellungswertes äußert sich als Tyrannei der Sichtbarkeit. Problematisch ist nicht die Zunahme von Bildern an sich, sondern der ikonische Zwang, zum Bild zu werden. Alles muss sichtbar werden. Der Imperativ der Transparenz verdächtigt alles, was sich nicht der Sichtbarkeit unterwirft. Darin besteht ihre Gewalt.
     
    Die visuelle Kommunikation vollzieht sich heute als Ansteckung, Abreaktion oder Reflex. Ihr fehlt jede ästhetische Reflexion. Ihre Ästhetisierung ist letzten Endes anästhetisch. Für das Geschmacksurteil I like etwa ist kein verweilendes Betrachten notwendig. Die mit dem Ausstellungswert angefüllten Bilder weisen keine Komplexität auf. Sie sind eindeutig, d.h. pornografisch. Ihnen fehlt jede Gebrochenheit, die eine Reflexion, ein Nachsehen, ein Nachdenken auslösen würde. Die Komplexität verlangsamt die Kommunikation. Die anästhetische Hyperkommunikation reduziert die Komplexität, um sich zu beschleunigen. Sie ist wesentlich schneller als die Sinnkommunikation. Der Sinn ist langsam. Er ist hinderlich für die beschleunigten Kreisläufe der Information und Kommunikation. So geht die Transparenz mit einer Sinnleere einher. Die Informations- und Kommunikationsmasse entspringt einem Horror vacui.
     
    Der Transparenzgesellschaft erscheint jede Distanz als Negativität, die es zu eliminieren gilt. Sie stellt ein Hindernis für die Beschleunigung der Kreisläufe der Kommunikation und des Kapitals dar. Aus ihrer inneren Logik heraus beseitigt die Transparenzgesellschaft jede Form der Distanz. Die Transparenz ist letzten Endes die »totale Promiskuität des Blickes mit dem, was er sieht«, nämlich die »Prostitution«. 26 Er setzt sich permanenten Strahlungen der Dinge und Bilder aus. Die fehlende Distanz macht die Wahrnehmung taktil und abtastend. Die Taktilität bezeichnet einen berührungslosen Kontakt, ein hautnahes »Aneinanderstoßen von Auge und Bild«. 27 Aufgrund fehlender Distanz ist keine ästhetische Betrachtung, kein Verweilen möglich. Die taktile Wahrnehmung ist das Ende der ästhetischen Distanz des Blicks, ja das Ende des Blicks. Die Distanzlosigkeit ist nicht die Nähe. Sie vernichtet sie vielmehr. Die Nähe ist reich an Raum, während die Distanzlosigkeit den Raum vernichtet. Der Nähe ist eine

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