Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen
…«
»Sie meinen, im Dunkeln funktioniert es nicht?«
Madeleine Kraft schüttelte den Kopf. »Es ist zu spät – der Tag ist bereits angebrochen! Jetzt bleibt uns als letzte Hoffnung, seine Denkweise zu verstehen …«
»Seine Denkweise ist vollkommen verschlüsselt. Kennen Sie Kardinal Chang?«
»Natürlich kenne ich Chang.«
»Wo ist er?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe ihn falsch eingeschätzt. Ich habe auch mich falsch eingeschätzt und meinen Sohn verloren.« Plötzlich stieß Madeleine Kraft Miss Temple durch die Tür. »Ich werde sie ablenken. Gehen Sie.«
Sie schloss die Tür, und von der anderen Seite hörte Miss Temple ihre Rufe, um die Wachen auf sich aufmerksam zu machen.
Miss Temple zog einen Revolver aus dem Holster eines am Boden liegenden Mannes. Sie wartete, umfasste die Waffe mit beiden Händen und war bereit, den Erstbesten, der durch die Tür kam, zu erschießen. Die Geräusche draußen verstummten – Madeleine Kraft war fortgebracht worden –, und keine Wachen kehrten zurück, um nach ihr zu suchen. Trotzdem rührte sich Miss Temple minutenlang nicht vom Fleck. Die Männer zu ihren Füßen, die entweder bewusstlos oder tot waren, lagen übereinander wie die Knochen vor der Höhle eines Ungeheuers. Sie hatte sich Zugang zu Harschmort verschafft, doch das hier stellte einen anderen Grad von Gefahr dar. Neu errichtet für das Ritual, das in dieser Nacht stattfinden würde, begann erst hier der eigentliche Kampf mit seinem Herrn.
Ihr war der Weg durch ein Kiesbett aus schwarzen und blauen Steinen versperrt: blaue Glasstücke. Sie konnte es nicht riskieren, sich die Stücke in ihre nackten Füße einzutreten. An der Wand hing eine Reihe weißer, grün gesäumter Umhänge, zu denen jeweils ein Paar Filzpantoffel gehörte. Sie tauschte den Baumwollmantel der Contessa gegen den Umhang eines Akolythen von Vandaariff aus und schlüpfte in die Pantoffeln, wobei sie bemerkte, wie schmutzig und dunkel ihre Füße waren.
Zwischen dem Kiesbett und der gegenüberliegenden Tür befand sich ein Mosaik aus großen Fliesen. Ein ekelhaftes Gefühl in ihrer Kehle warnte sie davor, einfach darüberzulaufen, obwohl sie keine Ahnung hatte, was in diesem Fall geschehen würde. Jede Fliese war aus einem andersfarbigen Glas hergestellt, doch die Erinnerungen des Comte erzeugten nur Verwirrung. Dann lachte Miss Temple laut, weil sie in der Ecke einer Fliese ein X entdeckte, das erst vor kurzem hineingeritzt worden war.
»Nun, vielen Dank auch …«
Mehrere Sprünge brachten sie auf die gegenüberliegende Seite, wobei sie nicht viel über die bevorstehende Herausforderung nachdachte. Für Miss Temple war es nur ein weiteres Hindernis, das es zu überwinden galt.
Sie zog sich die Kapuze übers Gesicht und öffnete die Tür. Hier herrschte der gleiche beißende Geruch … jetzt noch durch Schieß pulver verstärkt. Auf der anderen Seite des Raums lagen drei Akolythen tot nebeneinander. Eine weitere Tür war aufgesprengt worden. Miss Temple trat näher, wandte sich jedoch rasch von den verbrannten und zusammengekrümmten Leichen ab. Es war jetzt klar, was geschah, wenn man auf die falsche Fliese trat.
Sie zwang sich, die Leichen in den Umhängen so eingehend in Augenschein zu nehmen, wie Chang oder Svenson es wohl getan hätten. Das Gesicht eines Mannes hatte orangefarbene Flecken. Obwohl die Contessa große Mühen auf sich genommen hatte, um ihren eigenen Vorrat mitzubringen, gab es hier einen sprudelnden Brunnen, der voll damit war und von dem der arme Kerl getrunken hatte. Sein Gesicht war zu einer fratzenhaften Karnevalsmaske verzerrt. Die beiden anderen Akolythen waren geschlagen und dann erstochen worden, doch nach dem vielen Blut auf dem Boden zu urteilen, waren es noch mehr Männer gewesen, die man fortgeschafft hatte. Trotzdem versuchte sie herauszufinden, wie jeder Einzelne zu Tode gekommen war, und ihre Sorgfalt wurde schließlich belohnt, als sie in einem schmutzigen Fußabdruck einen ungewöhnlichen Fleck entdeckte. Die Fußabdrücke kamen von der gesprengten Tür und folgten den Schleifspuren, die hinausführten. Sie hatte Mr. Foison gefunden, und er hatte jemand anders gefunden.
Sie erschrak, als sie ein leises Klappern hörte: Ein Metallgitter, das übermalt worden war, damit es mit den verzerrten Gestalten verschmolz, welche die Wände schmückten. Auf Zehenspitzen ging Miss Temple zur Tür und drehte am Knauf. Dahinter hörte sie Stimmen, die sie kannte.
»Sie unterschätzen die Macht
Weitere Kostenlose Bücher