Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen
durchzuschneiden. Im Interesse eines höheren Ziels natürlich.«
»Natürlich.«
»Also. Werden Sie sie nun töten, Lord Robert, oder wollen Sie mir Ihre Wertschätzung etwa verweigern?«
Pfaff drehte sich mit einem gequälten Ausdruck um. »Kommen Sie, egal was Sie zu Ihnen sagt …«
»Halten Sie den Mund, Mr. Pfaff …«
»Aber sie liegt bereits im Sterben …«
»Dann ist ein schneller Tod eine Gnade .«
Miss Temple lachte. »Der mächtigste Mann im Land, von einer Frau gezwungen, eine Frau zu töten! Das ist also Ihre Wiederherstellung! Ihre Erhabenheit!«
»Tun Sie es!«, rief die Contessa.
Im Haus von Miss Temples Herzen war Mitgefühl in eine ganz kleine Ecke der Vorratskammer verbannt worden, weshalb sie mit kaltem Blick zusah, wie Jack Pfaff mit zusammengepressten Lippen sein Missfallen durch einen Schlag auf seinen Oberschenkel deutlich machte.
Chang trat zu Miss Temple, und sie wappnete sich gegen seine Berührung – doch dann gab es hinter ihm eine plötzliche Bewegung. Chang fuhr herum, konnte jedoch den Schlag, der ihn am Kinn traf, nicht verhindern.
»Ich bin hier der Herr!«, schrie Schoepfil. »Harschmort gehört mir! Mir ganz allein!«
Wütend stürzte er sich auf Chang und schlug auf sein Gesicht und seine Brust ein. Zwei Akolythen, die ihrem neuen Herrn gegenüber loyal waren, stürzten sich auf seinen Angreifer. Schoepfil fertigte sie problemlos ab und richtete seine Aufmerksamkeit erneut auf Chang, der zurückgetreten war und sich bereithielt. Schoepfil täuschte mehrere Schläge in Folge an, und Chang bewegte seine Arme instinktiv, um sie abzuwehren. Schoepfils Gesicht rötete sich in einer seltsamen Mischung aus Wut und Schadenfreude. Er hob die Arme zur Decke und rief triumphierend:
»Vergessen Sie die Fragen! Kommen Sie und schauen Sie sich das an – Sie alle! Das kann nicht Robert Vandaariff sein! Robert Vandaariff kämpft nicht! Robert Vandaariff könnte keine schlafende Ratte mit einer Axt töten!« Schoepfil zeigte mit einem anklagenden Finger auf die Contessa. »Ihr Vorhaben ist gescheitert, Madam! Wir sind übertölpelt worden! Das ist niemand anderes als Kardinal Chang! Nichts als verbrecherischer Abschaum!«
Der Lederkoffer, der durch die Luft wirbelte, traf Schoepfil am Kopf, prallte ab und schnappte auf, als er zu Boden fiel. Das Glasbuch rutschte heraus und zerbarst direkt vor der Ansammlung von Akolythen. Die Männer in den Umhängen taumelten und gingen zu Boden; sie schrien und umklammerten die verletzten Beine. Svenson, vom Wurf des Koffers aus dem Gleichgewicht gebracht, befand sich mit blutüberströmtem Gesicht auf Händen und Knien und rief:
»Laufen Sie, Celeste! Laufen Sie!«
Chang sprang Schoepfil mit den Füßen voraus an, und der kleine Mann ging der Länge nach zu Boden. Miss Temple hüpfte vom Tisch. Im gesamten Raum fielen Glaskugeln herab, und Miss Temple hielt den Atem an. Sie sah Chang von einem Haufen Menschen umzingelt, Doktor Svenson, wie er mit Jack Pfaff rang, und – voller Entsetzen – Mr. Foison, der direkt auf sie zuhumpelte. Zerbrochenes Glas versperrte ihr den Weg zur Falltür. Sie konnte nur zum Haupteingang laufen, wo zwei Grünmäntel Wache hielten.
»Halten Sie sie auf!«, rief die Contessa.
Miss Temple duckte sich vor dem schwingenden Karabiner des ersten Mannes, doch der Lauf des anderen traf sie am Schienbein und warf sie zu Boden. Sie kroch zum Eingang, aber da packte ein Wachmann sie um die Taille. Sie trat um sich, und ihre Lunge brannte, und ihre Augen tränten von den Chemikalien. Der zweite Wachmann hatte seinen Karabiner hochgehoben und wollte zuschlagen, als Mr. Foison, der nicht zimperlich war, dem Soldaten ein Messer in den Rücken stieß. Der zweite Wachmann ließ Miss Temple fallen, um es mit Foison aufzunehmen.
»Gehen Sie!« Er stieß dem Wachmann eine Faust in den Leib und schlug ihm dann den Messergriff aufs Kinn, allerdings war allein durch die beiden Worte Foison das Gas in die Lunge gedrungen. Er umklammerte seinen Hals und sank zu Boden. Miss Temple kroch zum Flur und rannte los.
Hinter der ersten Ecke holte sie tief Luft und zwang sich, nachzudenken und sich umzuschauen. Sie war schon einmal hier gewesen – als sie der Gruppe von Akolythen begegnet war und die Waffe losgelassen hatte. Jetzt musste sie in die andere Richtung. Mit nackten Füßen rannte sie den Flur entlang.
Sie stürmte in den Raum mit dem Brunnen und weiter in die Richtung, aus der sie glaubte gekommen zu sein, wobei sie wie ein
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