Traumland der Ambe
Vergessenheit geraten. Aber jetzt, nachdem ihm Ambes zweite Puppe diese Geschichte erzählte, erwachten die Bilder wieder in seinem Geist, und manches von dem, was damals unverständlich für ihn gewesen war, durchschaute er nun.
Mythor begriff allmählich die Zusammenhänge.
Der Geist der Zuma hatte ihm an der Regenbogen-Brücke erzählt, daß sie an einem Schutzwall gegen die Dunkelmächte baute. Damit hatte sie die Große Barriere gemeint, die sich entlang der Dämmerzone von Vanga erstreckte. Es war Zumas Werk, das der Aase Vangard zu Ende führte, bevor er Zumas zweiten Wunschtraum verwirklichte.
Zumas Geist hatte Mythor auch erzählt, daß sie eine Brücke von Vanga nach Gorgan schlagen wollte, um die Welt des Weiblichen mit der des Männlichen zu verbinden. Aber bevor sie ihren Plan in die Tat umsetzen konnte, hatte ein Dämon sie gestellt, dem sie schließlich unterlegen war. Mythor hätte Zuma damals schon berichten wollen, daß Vangard schließlich durch die Schattenzone nach Gorgan gelangt war… wo er am Koloß von Tillorn mit ihm zusammentraf. Aber Zuma konnte ihn nicht hören, denn sie lebte damals nicht mehr wirklich, sondern war nur noch Vision.
Und nun hatte er von Ambes Puppe erfahren, daß einige Zaubermütter Zumas Erbe übernehmen wollten und eine andere Gruppe unter der Zaem sich dagegenstellte. Um die Nachfolge der Zuma entbrannte ein Wettstreit zwischen der Zaem und der Zahda, der immer heftiger wurde und schließlich in einen Krieg der Hexen ausartete.
So muß es gewesen sein! sagte sich Mythor.
Ihm war klar, daß er zum Mitwisser eines großen, streng gehüteten Geheimnisses geworden war. Aber einiges blieb ihm unklar. Er fragte sich, wie Ambe in den Strudel der Ereignisse gerissen worden war, wie sie dazu kam, Pryscas Nachfolge anzutreten und woher Gaidels schreckliche Alpträume kamen, die sie letztlich in den Tod trieben. Und Zaems Worte brannten sich wie ein Fanal in seinen Geist:
FRONJA IST NICHT MEHR ZU HELFEN.
WIR MÜSSEN SIE TÖTEN, UM UNSERE WELT ZU RETTEN!
Mythor kehrte zu seinen Gefährten zurück.
Er kam gerade zurecht, um zu verhindern, daß Kalisse Gerrek enthauptete. Er stellte sich mit gezogenem Schwert zwischen die beiden Kampfhähne und erkundigte sich nach dem Anlaß für ihren Streit.
»Der räudige Beuteldrache hat aus Angst vor dem Fliegen den Ballon der Windrose zerstört«, erklärte Kalisse und hob drohend ihre Eisenfaust in Gerreks Richtung. »Jetzt müssen wir zu Fuß weitermarschieren.«
Mythor war darüber gar nicht gram, denn er hoffte, auf diese Weise wieder Verbindung mit einer von Ambes weiteren Puppen aufnehmen zu können; er zweifelte nicht daran, daß sie sich noch öfters verpuppt hatte.
»Das ist eine Lüge«, verteidigte sich Gerrek. »Ich kann den Ballon gar nicht zerstört haben, weil ich mit dir im Puppenhain war. Mythor, du bist mein Zeuge.«
»Gerrek spricht die Wahrheit«, sagte Mythor.
Kalisse steckte ihr Schwert weg.
»Aber irgendjemand hat den Ballon mutwillig zerstört. Sieh dir das an!«
Sie hob die schlaffe Ballonhülle hoch und zeigte Mythor, daß sie an einer Stelle förmlich in Streifen geschnitten worden war.
»Dann wirst du uns eben auf dem Landweg an die Ostküste bringen«, sagte Mythor leichthin.
Kalisse schnaubte wütend und wandte sich ab.
»Du hättest gar nicht einzuschreiten brauchen«, sagte Gerrek zu Mythor. »Kalisse wäre gar nicht in der Lage gewesen, das Schwert gegen mich zu erheben. Ambes Sendungen der Liebe haben sie befriedet. Du mußt das auch schon bemerkt haben. Wann hat sie dich zuletzt ins Hinterteil gekniffen, Mythor?«
Mythor mußte lachen.
Sie machten eine kurze Rast. Kalisse spannte ihren Bogen in die Eisenfaust und verkündete, daß sie auf die Jagd gehen wolle. Gerrek holte seine Zauberflöte hervor und versuchte, darauf zu spielen. Aber er entlockte ihr nur ein paar jämmerliche Töne.
»Ich schaffe es schon noch«, behauptete er. »Es wäre doch gelacht, wenn ich als Beuteldrache dieses Zauberinstrument nicht spielen könnte.«
Lankohr kam zu Mythor und sagte:
»Willst du dich nicht endlich mit Scida versöhnen? Sie hat in gutem Glauben gehandelt, als sie Isgrin alles über dich sagte.«
Mythor überlegte kurz, dann erhob er sich und ging zu der Amazone, die vor einem zerzausten Blütenstrauch saß und offenbar versuchte, ihn kraft ihrer Gedanken und Gefühle zu formen.
»Darf ich stören?« fragte Mythor höflich.
»In der Tat, du störst«, erwiderte Scida frostig.
»Ich will
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