Traumland der Ambe
dafür sorgen, daß der Sohn des Kometen Fronjas Bildnis erhält.«
Ich entließ den Aasen aus meinem Bann und überzeugte mich davon, daß er sich des geheimen Abkommens, das ich gerade mit ihm getroffen hatte, nicht mehr entsann. Er wußte von nichts mehr und verließ Gavanque mit Fronjas Bildnis.
Ich ließ ihn durch meine Hexen beobachten und verfolgte seinen Flug, bis er in die Schattenzone eindrang. Danach hörte ich nie wieder von ihm, wie viele Sommer auch ins Land gingen. Und ich wartete vergeblich auf die Kunde, daß der Sohn des Kometen nach Vanga gekommen war.
Irgendwie war ich darüber sogar erleichtert, denn schon bald nach Vangards Verschwinden sah ich meine Verfehlung ein. In meinem Eifer, Fronja zu Freiheit und Lebensglück zu verhelfen, war ich zu weit gegangen. Wie schon der Aase gesagt hatte, war es eine Anmaßung sondergleichen, sich über die Zaubermütter hinwegzusetzen und das Geschick auf diese Weise zu beeinflussen zu versuchen.
Je reifer ich wurde, desto deutlicher erkannte ich, welche Kräfte es waren, die den Lauf der Welt lenkten, und um so deutlicher wurde mir auch, daß ich zu weit gegangen war, als ich eigenmächtig handelte und nur Fronjas persönliches Glück im Sinn hatte.
Ja, ich bekenne, daß ich unrecht gehandelt habe. Doch zum Glück hatte meine Handlungsweise keine Folgen. Aber ein Gedanke ließ mich nie los, und er bereitete mir schlaflose Nächte und führte letztlich dazu, daß ich meine Unzulänglichkeit erkannte und mich wieder einmal verpuppte, um ein neues Leben zu beginnen zu können.
Dies war meine Befürchtung: Wenn das magische Bildnis in falsche Hände käme, etwa in den Besitz einer dämonischen Macht, dann konnte daraus eine schreckliche Bedrohung für Fronja erwachsen. Denn es gab mächtige Dämonen, die die Magie des Bildes umkehren konnten, um sie gegen Fronja zu wenden und von ihr Besitz zu ergreifen.
Mit diesem Alptraum lebte ich fortan, bis zu dem Tage, da ich meine alte Lebenshülle abstreifte und als neue Ambe in meinem siebten Leben ausschlüpfte.
Die Zukunft wird es zeigen, als was ich mich diesmal entpuppe.
9.
»Geschwind, geschwind – trage uns, Wind…«
Die Stimmen, die ihm zugetragen wurden, klangen selbst wie das Säuseln des Windes. Eine Brise strich über Mythors Gesicht und kühlte es. Er öffnete die Augen. Der Anblick eines von Falten durchzogenen Frauenantlitzes versetzte ihn in Aufuhr. Er hielt noch immer das Gläserne Schwert in der Hand und erinnerte sich schlagartig des Geisterkampfs, den er gegen Aelgeri ausgefochten hatte.
Er wollte auf die Beine springen, aber der sanfte Druck von knöchernen Fingern über seinem Herzen zwang ihn zur Ruhe.
»Celes Gesandte bedeutet keine Gefahr mehr«, sagte die alte Hexe, deren gelber Umhang im Wind wehte. Hinter ihr erblickte Mythor eine Schar jugendlicher Gärtnerinnen in Graublau. »Sie wurde besiegt und schlägt an diesem Ort als Menschenbaum Wurzeln.«
Die alte Hexe gab ihm den Blick frei auf ein seltsames Gewächs, das annähernd menschliche Gestalt hatte, aber über drei Körperlängen aufragte. Der Körper war ein schlank emporwachsender Stamm mit glatter Rinde. Am oberen Ende befand sich eine Verdickung mit einigen Auswüchsen und Vertiefungen, die bei einiger Phantasie an ein Gesicht gemahnten. Aber die Gesichtszüge waren erstarrt, aus den Augen sprossen die Triebe von Ästen. Etwas tiefer ragten zwei kräftigere Äste aus dem Stamm, an deren Ende sich Äste wie Finger reckten, und an ihren Gelenken zeigten sich bereits Knospen.
»Ist das Aelgeri?« fragte Mythor mit belegter Stimme.
Die alte Hexe nickte.
»Sie hat ihren Frieden gefunden. Du kannst sie vergessen, sie wird nichts Böses mehr anstellen und als Menschenbaum andere durch ihren Anblick und ihre Liebessendungen erfreuen. Aber nun komm fort von hier. Wir haben es eilig.«
»Wohin bringt ihr mich?«
»Es will dich jemand sehen. Eile ist geboten. Vertraue dich uns an. Der Wind ist unser Verbündeter, er wird deinen Schritt beflügeln.«
Mythor war viel zu verwirrt, als daß er sich gegen die Hexe hätte sträuben können. Es hätte ihm auch nichts genützt, denn ihre Worte duldeten keinen Widerspruch. Er ließ sich von den Gärtnerinnen in die Mitte nehmen und setzte sich Hand in Hand mit der Hexe im gelben Mantel in Bewegung. Obwohl er sich scheinbar gemächlich bewegte, dem Schritt der Hexe und der Gärtnerinnen angepaßt, glitt die Landschaft wie im Flug an ihnen vorbei.
»Dies ist der Garten der
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