Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman
will, darf gerechtfertigter Weise leiden. Ich enthielt mich jedweden Kommentars.
Mit Annegret, die ihre platinblonden Haare in ein tiefes Dunkelrot verwandelt hatte, verbrachte ich drei wundervolle Kulturtage in Weimar.
Elena hatte den Mann ihrer Träume im Internet gefunden, einen echten Nerdtyp aus dem www entstiegen und total lieb. Ich freute mich für die beiden, das waren zwei, die die Liebe wahrlich verdient hatten.
Der September begann. Ich hätte meine Arbeit wieder aufnehmen müssen. Oma Brügge und Martha waren auf meine Hilfe angewiesen, aber ich meldete mich kurzerhand krank. Eine Mail, eine kurze, alles aussagende Mail war in meinem Account eingetroffen. Der Inhalt erschien mir wichtiger als mein kleiner Job, ihm galt meine ganze Präferenz. Das hätte jede andere Frau in meiner Situation ebenso gemacht, dessen war ich mir sicher, und so empfand ich Brügges und den Kindern gegenüber auch keinerlei Schuldgefühle. Einmal schwänzen durfte ich.
Liebe Antonia,
ich bin morgen beruflich in Berlin. Rasmus ist in München, aber vielleicht hast du ja Lust, mit mir essen zu gehen?
Liebe Grüße
Christoph
Ich meldete mich mit einer Magen-Darm-Grippe arbeitsunfähig und auf die Mail antwortete ich mit einem erwartungsfrohen „Ja!“.
Mein ganzes Bargeld zusammengekratzt, begab ich mich auf einen Marathon durch die Großstadt und folgte den bescheuerten Tipps von Frauenzeitschriften für das erste Date.
Zuerst: Waxingstudio, selbstverständlich. Die Schmerzen wurden erträglicher beim Gedanken an ein mögliches Happy End.
Dann ein neuer Haarschnitt in einem angesagten Friseurstudio, samt Augenbrauenzupfen durch den Azubi.
Zu guter Letzt ein ausgedehntes Shopping in der Unterwäscheabteilung eines superteuren bekannten Berliner Kaufhauses.
Das war vielleicht ein anstrengender Parcourslauf! Erschöpft kehrte ich vom erfolgreichen Beutezug heim, die Haare an sämtlich sprießenden Stellen meines Körpers entfernt. Selbst auf dem Schopf waren sie modisch in Veramanier gekürzt, der neu geschnittene lange Pony keck über meine frische Narbe gelegt.
Ich betrachtete mich im Spiegel und erkannte mich selbst nicht mehr. Was tat ich doch nicht alles im Glauben daran, dem Mann meiner Träume so ein Stück weit näher zu kommen und zu gefallen. So musste ich also aussehen, um wahrgenommen zu werden, das suggerierte die Medienwelt ja permanent. Wurde dies uns alles umgebende Schönheitsdekret etwa von sadistisch veranlagten Frauen aufoktroyiert? Ich schuf ein Kunstgeschöpf aus mir, einen weiblichen Homunkulus. War es das wert? Aber natürlich! Schließlich wollte ich geliebt werden, einfach nur geliebt, nicht mal mehr um meiner selbst willen. Großstadt machte einsam!
Den Morgen begann ich mit entspannenden Yogaübungen, fand jedoch keine Ruhe in mir, ich war viel zu aufgeregt. Beim Frühstück bekam ich keinen Bissen herunter. Besser so, mein Bauch würde unter dem engen Kleid faktisch nicht vorhanden sein. Sergej brachte mir einen seiner Spezialtees vorbei, angereichert mit Wodka, klopfte mir aufmunternd auf die Schulter und wünschte mir Glück und Segen.
Am Nachmittag lag ich zwei Stunden in der Badewanne mit so viel Duftöl, dass meine Haut an diversen Partien meines Körpers kleine Pustelchen bekam. Vor allem an den enthaarten. Hoffentlich war das keine allergische Reaktion auf den Lavendel. Dann folgten YouTube-Videos mit Schminkratschlägen.
Meine wenigen Make-up-Utensilien, manche harrten bereits seit Jahren in meinem armseligen Kosmetiktäschchen einer möglichen Benutzung durch mich, reichten für den perfekten Look aber leider nicht aus. Eine Audrey Hepburn würde ich nie hinbekommen. Meine Brüste quetschte ich in einen unbequemen BH, das neu erstandene Unterhöschen war frei jedweder Blümchen, und rosa war es auch nicht, es war dunkelrot. Dazu selbsthaltende Strümpfe, meine besten Pumps, mein einziges kleines Schwarzes. Ich war nicht mehr ich, ich war die Mutation einer Filmgöttin.
18:51 Uhr. Es klingelte, erwartungsfroh aufgeregt öffnete ich. Christoph mit zwei Blümchen in der Hand, T-Shirt, löchrige Jeans.
„Oh, äh, wow, du siehst toll aus.“
Ich nickte. Dann bat ich ihn herein und zog mich um. Karierte Bluse, ausgewaschene Jeans, Leinenschuhe.
„Äh, ich kenne mich in dieser Gegend hier so gar nicht aus, kannst du was Nettes empfehlen?“
Na klar, den Vietnamesen um die Ecke. Auf dem Weg sprachen wir kein Wort.
Im Imbiss jedoch verzieh ich ihm, ich war ja
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