Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman
formvollendeter „Traummann“ in mich vergucken könnte und mehr in mir sähe als ich selber oder mein Umfeld. Aber Traummänner existierten ebenso wenig wie die Kerle aus der Fernsehwerbung. Sie waren eine Fata Morgana, eine Illusion. Und ehrlich mal, ich war nun tatsächlich alt genug, um das zu erkennen.
Die kommenden Wochen in den Frühherbst hinein nahm ich meine Arbeit bei Brügge wieder auf, doch versuchte ich jedweden persönlichen Kontakt mit dem Hausherrn zu vermeiden. Ich hatte mich auf ein Spiel mit Menschen eingelassen, welches ich nicht spielen konnte und in deren Liga ich auch nicht spielen wollte, das ich ehrlich gesagt gar nicht richtig verstand. Außerdem wurden meine Spielpartner mir zusehends liberaler gegenüber und dadurch anstrengend. Die Kinder konnten nichts dafür. Brügge ja auch nicht, der war ja nur ein fader Abklatsch seiner selbst, eine kaputte, selbstzerstörerische Existenz, der durch seine Offenheit zwar an Menschlichkeit gewann, aber ich war seine Angestellte und nicht für sein Leben verantwortlich. Sondern nur für meines.
Wenn Brügge dann mal da war, malte er in seinem Kabuff.
Ende September feuerte er dort den Ofen an und malte weiter, oder aber er verschwand in seinem Atelier. Den Kindern gegenüber versuchte ich ganz neutral und unverfänglich entgegenzutreten, einzig Martha und Frau Brügge schien aufzufallen, dass ich mich anders verhielt als noch vor den Sommerferien.
„Geht es Ihnen gut, Antonia?“, Frau Brügge schien besorgt.
Ich bejahte und versuchte, meinen Aufgaben nachzugehen, ließ mich jedoch weder auf ein intimes Gespräch noch einen gemeinsamen Tee unter ihrem Hypnoseblick ein. Einzig mit Martha verband mich noch etwas, das über ein Arbeitsverhältnis hinausging. In unseren Unterhaltungen versuchte ich das Thema Brügge und Co. jedoch geflissentlich zu übergehen.
So zog der Herbst ins Land, eine zu organisierende Geburtstagsfeier für Nathan, Tröstungen nach ersten schulischen Einbrüchen und einem tiefen Liebeskummer, den Amalie mit einem Schüler der oberen Klassenstufe gerade durchlebte, ein Wachstumsschub Konrads, der voller Stolz mit seinem Laufrad zum Kindergarten fuhr.
Ende Oktober, meine Bewährungsfrist war abgelaufen, das Probezeit-Resümee-Gespräch mit dem Hausherrn stand an. Ich hatte eine tiefere Konversation mit Brügge in den letzten Wochen wunderbar zu vermeiden gewusst, und das war gut so. Jetzt saß er mir am Küchentisch gegenüber, wie immer leicht zerzaust, ein alter graugrüner Schlabberpullover mit Ellenbogenschonern umhüllte seinen Leib. Er hatte in den letzten Wochen ein paar Kilogramm abgenommen. Dies war mir aufgefallen und ich fragte mich, was der Auslöser dafür war. Es stand ihm, er wirkte ernster.
Brügge holte ein paarmal tief Luft, als wolle er sich sammeln, er schien ein wenig unruhig. Dann strahlte er mich jedoch offenherzig aus seinem etwas markanter gewordenen Gesicht an und teilte mir mit, wie zufrieden er mit meiner Arbeit gewesen war, wie sehr sich die Kinder doch an mich gewöhnt hatten und er ebenso. Ein kurzer Dackelblick. Ich erwiderte nichts. Er schluckte hörbar und sprach darüber, wie ich augenscheinlich von allen gemocht und so wunderbar zur Familie passen würde und er sich freue, mir eine Festanstellung anzubieten. Inklusive einer kleinen Gehaltserhöhung, und man könne darüber ja reden, er wolle schließlich kürzer treten, günstigeren Arbeitszeiten. Ich möge doch bitte einwilligen.
Nun hätte ich frohlocken können, auch ein kleines Stück weit stolz sein. Mein Brötchengeber lächelte mich aufrichtig an und nahm meine, auf der Tischplatte zusammengefalteten Hände, in die seinen.
Sie ruhten nicht schlecht dort. Doch entzog ich sie ihm.
Brügge legte seine Stirn in fragende Falten, wartete auf eine zustimmende Antwort. Stattdessen und ich weiß nicht warum, aber im Innersten rumorte der Gedanke wohl schon ein Weilchen:
„Vielen Dank, aber ich kündige! Das Gehalt von diesem Monat überweisen Sie mir bitte wie gehabt. Alles Gute für euch!“
Ich schnappte meine Tasche, meinen Mantel und ließ einen perplexen Rasmus Brügge samt erstaunt geöffnetem Mund zurück.
Freiheit - ist das Einzige, das zählt… erst recht von solch neuzeitlichen Junkern, auch wenn ich den Einen hier, kurioserweise, wirklich mochte.
Epilog
Sergej saß, frisch rasiert, seine modische Haarfrisur gekonnt gestylt und einen Schal um den Hals geschlungen, an meinem Küchentisch und
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