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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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in Neetha.« Der Bonze wußte gewiß nicht, wo Neetha lag, und Imelde kümmerte es nicht, wie ein einstiger Praiosschüler Sklave ihres Freundes Zor werden konnte. Ein Gedanke keimte in ihr. Marno kommentierte das Gehörte mit einem lächelnden Blick auf seinen neuen Besitz: »Er lernt schnell, so schlimm scheint es in Port Corrad dann doch nicht bestellt zu sein. Zor hat uns wirklich ein wertvolles Geschenk geschickt, einen Sklaven, der lesen und schreiben kann! Allerdings weiß ich augenblicklich nicht, wofür wir ihn verwenden sollen.« Er griff abermals nach dem Brief: »Warum diese Großzügigkeit? Ob er einfach angeben will?«
    Marno kam nicht mehr dazu, abermals den Brief bis zu seinem Ende nach einem verdächtigen Hinweis zu durchforsten, denn Imelde hatte einen Entschluß gefaßt. »Wenn du keine Verwendung für ihn hast, Schatz, so weiß ich eine: Er könnte der Hauslehrer der Kinder werden. Er könnte Diago und auch Thesares das Lesen und Schreiben beibringen. Als ich in Diagos Alter war, hatte ich ebenfalls einen Hauslehrer. Er war ein alter Sklave mit weißen Haaren, der stets etwas gebeugt ging. Manchmal nannte ich ihn scherzeshalber Großvater. Er sah wirklich aus wie ein solcher. Ich meine, alle Kinder müßten so einen Großvater haben.«
    Vergessene Erinnerungen an ihren alten Lehrer überkamen Imelde, ein Kaleidoskop verblichener Bilder. Wie sanftmütig er doch gewesen war, und wie geduldig er ihr alles so lange erklärt hatte, bis sie es verstand! Aus der Vergangenheit meinte sie, seine alte brüchige Stimme zu hören. Liva hatte er geheißen, Großvater Liva. Welch ein Unglück, daß er so früh gestorben war, gleich nach ihrem elften Tsatag!
    Dies war ein Teil von Imeldes Erinnerungen, den sie am liebsten ganz vergessen hätte. Es hatte einen Streit gegeben zwischen ihr und ihren Eltern, einer Geringfügigkeit wegen, jedenfalls sah sie es heute so. Sie hatte sich zu ihrem Tsatag ein Pärchen Goldleiern gewünscht und sich seit Tagen darauf gefreut, ihnen einige Worte beizubringen. ›Imelde!‹ sollten sie rufen und ›Großvater Liva!‹. Doch am Tsatag bekam sie keine Goldleiern, sondern statt dessen Avesfinken. Hübsche Vögelchen, die wunderbar sangen, nur leider nicht sprachen. Imelde war deswegen furchtbar enttäuscht gewesen und hatte sich ungeliebt, zurückgesetzt und sehr gedemütigt gefühlt und deshalb aus Bosheit und schierem Trotz Großvater Liva während eines Spaziergangs an den Hängen des Visra einen Stoß versetzt, so daß er einen Abhang hinuntergestürzt war und zu Tode fiel. Ihre Eltern waren darüber sehr aufgebracht gewesen und hatten sie geschlagen, das einzige Mal in ihrer Kindheit. Zwar nicht während der Züchtigung, aber doch später hatte sie eingesehen, daß sie die Strafe verdient hatte.
    »He, du«, befahl Imelde dem Schwarzhaarigen, »geh ein paar Schritte!«
    Mit federndem Schritt ging der junge Mann bis zum Ende der Terrasse und drehte sich um.
    »Geh langsamer«, forderte ihn Imelde auf, »tu so, als wärst du ein alter Mann!«
    Der Sklave verharrte einen Herzschlag lang, dann ging er langsam, steifbeinig und mit dem richtigen Quentchen Unsicherheit in seinen Bewegungen den Weg zurück.
    Imelde war sehr zufrieden. »Er ist wirklich ungemein gelehrig«, sagte sie zu Marno.
    »Was hast du vor?« fragte er.
    »Ich sprach doch von meinem einstigen Hauslehrer«, erklärte sie, »und ich dachte, wenn der Bursche sich anders bewegt und wir ihm die Haare bleichen, vielleicht noch kräuseln und ausdünnen …«
    Marno lachte in sich hinein. Er mochte diese kleinen Verrücktheiten Imeldes. Er schloß die Augen, dachte mit ernstem Gesicht nach und öffnete sie wieder.
    »Ja, ich kann es mir vorstellen«, sagte er. »Du, geh noch einmal.«
    Abermals schlurfte Zors Geschenk zum Ende der Terrasse.
    »Immer noch ein bißchen wie ein Junger, der sich ausgibt für einen Alten«, urteilte Imeldes Mann.
    »Findest du? Wenn er lange genug übt, wird sich das legen«, gab Imelde mit einem leicht trotzigen Unterton zurück.
    »Bestimmt. Aber wäre es nicht besser … He, du, mach einen Buckel … Schieb die Schultern etwas vor, laß die Arme mehr hängen … Jetzt streck den Kopf noch etwas weiter vor!«
    Während der Sklave vor ihnen auf und ab ging, verwandelten sich seine Bewegungen unter Marnos Anweisungen immer mehr zu denen eines Greises. Imelde klatschte vor Freude in die Hände und warf ihrem Gemahl einen zärtlichen Blick zu. Wie schlau Marno doch war! Ja, so würde es

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