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Treibhaus der Träume

Treibhaus der Träume

Titel: Treibhaus der Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lorentzens schwamm in Spott. Aber es war nur eine Abwehr, ein verzweifeltes Ausweichen ins Lächerliche, das spürte Marianne.
    »Ich bedauere, jetzt keine Gurken zu haben«, sagte sie ernst.
    »Das ist alles dumm, was wir sprechen.« Dr. Lorentzen lehnte sich zurück, nachdem er sanft die Hand Mariannes von seinem Arm gelöst hatte. »Sie fahren nach München, ich steige in Köln aus, wir werden uns nie wiedersehen.«
    »Sie wohnen in Köln?«
    »Ab heute, ja.« Wieder der ins Herz schneidende Ton.
    »Sie verlassen Hamburg nur ungern?«
    Dr. Lorentzen schwieg. Draußen glitt eine kleine Stadt vorbei. Saubere Häuser. In den Fenstern lüfteten die Betten. In einem Garten planschten Kinder in einem aufblasbaren Gummibecken. Glück, wohin man sieht. Überall Glück und Freude. Selbst die Sonne scheint heute heller. Hamburg ungern verlassen … oh, schöne Marianne mit den langen, schlanken Beinen: Man hat mich weggetrieben! Wie einen räudigen Hund verjagt.
    Mit zusammengepreßten Lippen starrte er aus dem Fenster. Der Zug brauste vorwärts – aber die Erinnerung rollte zurück.
    Hamburg war seine Heimat gewesen. Dort hatte er nachts in den Krankenhäusern gearbeitet, tagsüber in den Hörsälen der Universität gesessen, seinen Facharzt für Chirurgie gemacht, seine Doktorarbeit über Transplantationen von körperfremden Geweben geschrieben und mit Auszeichnung promoviert. Er wurde Assistent bei Prof. Dr. Heberach.
    Bei einem Hausball seines Gönners sah er zum erstenmal dessen Tochter Helene. Schwarzhaarig, zierlich, mit blitzenden Koboldaugen, klug und schlagfertig. Er hatte schon in der Klinik von ihr gehört. Der Alte hütet sie wie ein Juwel, hieß es. Dreimal hatte sie schon an Heirat gedacht – mit einem Reederssohn, einem Exportkaufmann und einem Arzt. Alle warf der Alte hinaus, vor allem den Arzt. Man erzählt sich, er habe gebrüllt: »Was, ein Mediziner? Der spekuliert nur auf meine Nachfolge!« So war das. Ein Ordinarius ist ein kleiner Gott.
    Und nun sahen sie sich: Der große, begabte Dr. Lorentzen und der süße schwarze Teufel Helene Heberach. Sie tanzten miteinander, sie hatten nur noch Augen für sich, und schon an diesem Abend küßten sie sich im Wintergarten, hinter einer Fächerpalme, trotz aller Warnungen, die Lorentzen völlig vergaß.
    Zwei Monate später begann die Schlacht. Prof. Heberach brüllte und zeigte Lorentzen die Tür. »Sie?« schrie er. »Ausgerechnet Sie?! Was Sie sind, sind Sie durch mich! Soll meine Tochter meinen billigen Schatten heiraten?!«
    Lorentzen hatte es geschluckt, ohne Widerrede. Es war schlimmer als Ohrfeigen. Aber der alte Heberach kannte seine Tochter nicht. Sie begehrte auf, sie schlug zurück, wo Lorentzen nicht fähig war, denn er mußte jeden Tag mit Heberach am OP-Tisch stehen. »Lutz, oder ich hasse dich das ganze Leben lang!« hatte Helene geschrien.
    Prof. Heberach gab nach. Die Hochzeit fand wie in einem Versteck statt. Auf dem Land, in der Lüneburger Heide, bei einer Tante. Auch nach der Hochzeit blieb Heberach der Chef und Ordinarius. Er redete Lorentzen mit Sie an, abweisend, verletzend, und verlangte, daß auch sein Schwiegersohn ihn wie einen Fremden betrachtete. Er betrat das Haus Lorentzens nur, wenn dieser nicht da war, und dann flehte er seine Tochter an, sich scheiden zu lassen und zu ihm zurückzukehren. Wie ein eifersüchtiger Greis benahm er sich. Und der Haß gegen Lorentzen, der ihm das Liebste, sein Teufelstöchterchen, genommen hatte, wuchs und wuchs.
    Aber das störte die Karriere nicht, so gerecht war Heberach doch. Lorentzen wurde I. Oberarzt der berühmten chirurgischen Klinik. Er veröffentlichte eine Reihe aufsehenerregender medizinischer Artikel. Er fuhr nach Amerika, nach Rochester, in die berühmte Mayo-Klinik und lernte die Virtuosität des Operierens. »Er ist ein Genie«, sagte Prof. Heberach in kleinem Kreis von Kollegen. »Aber sein Anblick macht mich einfach krank.«
    So gingen vierzehn Jahre dahin. Und dann geschah das Schreckliche. In der Nacht, bei der Rückkehr aus ihrem Landhaus, in dem sie die Wochenenden verbrachten, rutschte der Wagen auf der regennassen Straße. Fast sanft prallten sie gegen einen Chausseebaum, denn Lorentzen fuhr nie schnell. Ein Blechschaden entstand, nicht einmal eine Tür war vollständig eingedrückt. 800 Mark Reparatur, hieß es später. Eine Kleinigkeit.
    Aber Helene war tot. Mit der Stirn war sie gegen das Armaturenbrett gestoßen. Eine geringe Verletzung nur. Doch ihr Herz stand still

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