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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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für diese Räume zu. Atmen Sie etwas von dem Thema ein. Gerade die Alte Steinwache als berüchtigter Verhör- und Gefängnisbau der Nazizeit verkörpert wie kaum ein anderes Gebäude in Dortmund die unheilvolle Vergangenheit der Justiz. Dieser Platz ist geradezu exemplarisch geeignet, um auf die Themenstellung mit historischer Aktualität anzuknüpfen.«
    »Um diese Uhrzeit noch?«, fragte Verena misslaunig und warf einen fragenden Blick zu Löffke. »Was meint ihr?«
    »Wir haben Urlaub«, stellte Löffke fest. »Selbstverständlich haben wir Zeit.«
    Er spürte, dass sein Freund Frodeleit durchaus geneigt war, an dem Projekt mitzuarbeiten. Bromscheidts schmeichelnde Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Der Besuch in der Alten Steinwache würde ihn vermutlich gänzlich überzeugen können. Jetzt abzubrechen würde Verena Gelegenheit geben, Achim zu verunsichern und ihn absagen zu lassen. Wie oft hatte Löffke in den gemeinsam verbrachten Urlauben erlebt, dass Verena mit ihrem Pessimismus gemeinsame Pläne torpedierte und schlechte Stimmung verbreitete? Was leistete sie schon? Nach der Heirat arbeitete sie doch nur noch halbtags als Reiseverkehrskauffrau. – Die Frodeleits waren kinderlos geblieben, was die Ehe zwischenzeitlich in Krisen und insbesondere Verena in gelegentliche Depressionen gestürzt hatte. Achim Frodeleit, der seine Richterkarriere ungebremst nach vorn trieb, hatte seine Frau zu verschiedensten Freizeitaktivitäten animiert. Allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Schließlich waren sie gemeinsam einem Golfclub beigetreten, der beiden Gelegenheit bot, soziale Kontakte zu knüpfen, die sie als wertvoll empfanden und sie in dem Glauben bestärkten, gesellschaftlich angekommen zu sein. Auch die Löffkes waren dem Club beigetreten.
    Löffke hatte seine Frau Dörthe im schwiegerelterlichen Fleischerfachgeschäft im Kreuzviertel kennengelernt, das nur 100 Meter entfernt von seiner ehemaligen Studentenwohnung lag. Sie hatte Einzelhandelskauffrau gelernt und nach ihrer Lehre im Geschäft der Eltern zu arbeiten begonnen. Löffke fand sofort Gefallen an der hübschen und drallen jungen Frau, die es verstand, die Kunden flott und geschäftstüchtig zu bedienen, wobei sie, wenn sie sich über die Thekenauslage beugte, einen tiefen Blick in ihr Dekolleté gewährte. Löffke liebte diesen Einblick. Schon allein deswegen kaufte er ausschließlich in dieser Fleischerei ein – selbst dann, wenn es nicht nötig war.
    Löffke und Frodeleit hatten ihre Frauen etwa zur gleichen Zeit geheiratet. Das war kurz nach dem gemeinsamen Referendariat gewesen und jetzt schon 19 Jahre her. Auch Löffkes Ehe war kinderlos geblieben. Als alle medizinischen Versuche erfolglos blieben, eiferte Dörthe ihrem Mann nach und frönte einer ungehemmten Esslust. Während die Löffkes immer weiter zunahmen, blieben Verena und Achim Frodeleit sportlich und schlank.
    »Wir sollten fahren«, drängte Löffke.
    »Ich habe einen großen Wagen, in den alle hineinpassen«, sagte Bromscheidt. »Ich schlage vor, dass wir gemeinsam in die Stadt fahren und anschließend hierher zurückkommen. Sie wohnen doch alle im Dortmunder Süden und können bequem von hier aus wieder nach Hause fahren.«
    »Für uns wäre es ungünstig«, wandte Stephan ein.
    Bromscheidt hob die Augenbrauen. »Wohin müssen Sie?«
    »In die Brunnenstraße«, antwortete Marie.
    »Dann fahren wir erst zu Ihnen, damit Sie zu Hause Ihr Auto abstellen, bevor wir anschließend gemeinsam zur Alten Steinwache fahren. Hinter dem Bahnhof gibt es kaum Parkplätze. Auch um diese Zeit nicht. Wir haben Donnerstag. Es ist viel Betrieb in den Kinos nebenan.«
    »Haben Sie nicht zu viel Rotwein getrunken, Herr Bromscheidt?«, fragte Frodeleit besorgt.
    »Ein Glas. Ich denke, das geht.«
    »Du bist im Moment mal kein Richter«, mahnte Löffke seinen Freund. »Binde dir einfach ein Tuch um deine Justitia-Augen!«

2.
    Kurz darauf verließen sie Bromscheidts Villa.
    Die aus dem Pool aufsteigenden Dampffahnen wehten wie geisterhafte Windschläuche in die sternenlose Nacht. Marie stieg zu Stephan ins Auto. Durch die Windschutzscheibe beobachtete er Bromscheidt, der Löffke bat, seinen Wagen hinter das Haus zu fahren.
    Er hörte, wie Bromscheidt sagte: »Meine Frau wird gleich nach Hause kommen. Sie ist behindert und darauf angewiesen, direkt vor dem Eingang parken zu können.«
    Nachdem Löffke den Wagen abgestellt hatte, folgten sie Bromscheidts weißem Van, der vor ihnen schaukelnd den Berg nach

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