Trieb: Paul Kalkbrenner ermittelt. Bd. 3 (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Menschenmögliche.
Aber das ist eben nicht genug.
Denn wenn Manuel tatsächlich verschleppt worden war … Nein, daran wollte sie nicht denken.
Sie starrte auf das bunte Geflecht der Berliner U- und S-Bahn-Linien, das sich auf ihrem Küchentisch ausbreitete.
Überlegen Sie bitte!
Aber was sollte das bringen?
Nun
,
es ist allemal besser
,
als tatenlos herumzusitzen.
Das Nichtstun verstärkte nur ihr schlechtes Gewissen. Sie musste etwas unternehmen.
Aber was?
»Anna«, sagte Nina, nachdem Veckenstedt die Wohnung verlassen hatte. »Wir waren vorhin bei
Sachsopharm
stehen geblieben.«
Anna zuckte gleichgültig mit den Schultern. Bis gestern war ihr das Budget des Arzneikonzerns wichtig gewesen. So wichtig sogar, dass sie ihren eigenen Sohn dafür vernachlässigt hatte. Jetzt spielte die Firma keine Rolle mehr, aber trotzdem trug sie noch die Verantwortung für die Mitarbeiter.
Trage sie erst einmal für Manuel.
Anna gab einen unwilligen Ton von sich.
Nina verstand. »Es ist okay. Du brauchst dir keinen Kopf darüber machen.« Sie räumte die Nudelschachteln vom Tisch. »Ich werde mich um die PR-Kampagne kümmern. Wozu haben wir denn sonst den großen Presseverteiler?« Sie bog die Gabel in die ursprüngliche Form zurück und legte sie in das Spülbecken. »Ich verspreche dir, wir werden das Budget von Sachsopharm
bekommen, und alles wird …«
»Was hast du gerade gesagt?«, unterbrach Anna.
»Äh, ich?«
»Wofür wir denn sonst den großen Presseverteiler haben, das hast du gefragt.«
»Ja, stimmt, aber …«
»Und was hat dieser Veckenstedt gemeint?«
Wir werden eine Suchmeldung an die Presse geben
,
schalten Fernsehen
,
Radio und die Printmedien ein. Ich denke
,
das ist in Ihrem Sinne.
Anna machte einen Satz zur Tür. »Nina, wir müssen in die Agentur.«
»Du? Wir? Jetzt? Ich glaube nicht, dass das …«
Anna hatte schon ihren Blazer angezogen. »Doch!«
Alan kam zur Tür herein. Beim Anblick der beiden im Aufbruch befindlichen Frauen nahm sein Gesicht einen bestürzten Ausdruck an. »Was ist passiert?«
»Du bleibst hier«, bestimmte Anna. »Für den Fall, dass Manuel sich meldet. Oder falls …« Sie verschwieg lieber, was sie dachte.
»Anna?« Das Gesicht ihrer Freundin sprach Bände.
Hast du den Verstand verloren?
»Was ist los mit dir?«
In einem Akt der Entschlossenheit ballte Anna ihre rechte Hand zur Faust. »Wir haben eine Werbeagentur, richtig?«
Nina und Alan tauschten besorgte Blicke aus.
»Und wir haben einen extrem großen Presseverteiler!«
Nina schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Natürlich, jetzt verstehe ich. Du willst …«
»… an die Presse, ja, und zwar richtig. Ganz groß.« Anna fühlte, wie Kraft und Zuversicht zurückkehrten. »Ich habe Manuel für die Agentur vernachlässigt, jetzt muss die Agentur ihm und uns helfen. Mit allem, was ihr zur Verfügung steht.«
79
Tabori bestaunte das Instrument wie ein wundersames Artefakt.
»Du wirst ganz bestimmt besser spielen als ich«, versicherte Ludwig.
Trotzdem konnte sich Tabori nicht überwinden. Er hatte noch nie vor Publikum gespielt – von seinem Großvater abgesehen und dem einen Mal, als er von Gentiana in der Höhle auf dem Skanderberg überrascht worden war.
»Ich kann nämlich nicht gut spielen«, erklärte Ludwig.
Tabori knetete nervös die Finger.
»Pass auf, ich zeig es dir.« Ludwig zupfte wahllos und ohne Melodie an den Saiten. Dazu sang er. Ziemlich schief, wie Tabori fand, der sich vergeblich bemühte, ein Lied zu erkennen.
»Nicht schön!«, bestätigte Tabori.
»Hab ich es dir nicht gesagt?« Ludwig legte die Gitarre vor Tabori auf den Boden, aber Tabori verharrte stocksteif an Ort und Stelle. »Na gut.« Geknickt zuckte Ludwig mit den Achseln. »Dann hole ich dir mal den Kakao.«
Als er nicht mehr zu sehen war, entledigte sich Tabori seiner Jacke und setzte sich auf den Teppichboden. Seine Hände glitten über die Fasern. Sie fühlten sich an wie das weiche Fell von Gentiana, der Katze. Aber irgendwie war der Teppich sogar fast noch angenehmer.
Tabori wartete. Weil Ludwig nicht zurückkam, legte er sich irgendwann die Gitarre auf den Schoß. Sie war fast neu. Selbst auf dem Lack, mit dem das Holz überzogen war, waren kaum Fingerabdrücke zu erkennen. Ehrfürchtig entlockte er den Saiten einige Töne. Sie klangen harmonischer als Ludwigs entsetzliches Rumgezupfe vor wenigen Minuten.
»Das klingt gut«, lobte Ludwig. »Was spielst du da?«
Tabori stoppte
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