Trigger - Dorn, W: Trigger
sind da unten! Keine Bewegung, Polizei!«
Kapitel 48
Es war bereits früher Morgen, als Mark und Axel aus dem Polizeipräsidium ins Freie hinaustraten. Beinahe die ganze Nacht waren sie von einem Hauptkommissar namens Kronenberg zu den Vorfällen im Haus der Lorchs befragt worden. Anfangs hatte sie Kronenberg noch wie Verdächtige behandelt, doch schon bald hatte Mark den Polizisten über die tatsächlichen Umstände ins Bild gesetzt, die zu Chris’ Tod geführt hatten.
Staunend hatte ihm Kronenberg zugehört und immer wieder Fragen gestellt, und als er das Gespräch mit Mark und Axel beendete, schienen sie alle drei das Gleiche zu empfinden: Müdigkeit, Fassungslosigkeit und Bedrückung.
Draußen angekommen, stützte sich Mark gegen einen Laternenmast und atmete die frische Morgenluft ein. Axel sah ihn aus rot unterlaufenen Augen an, wie man sie von Chirurgen nach einer Doppelschicht kannte.
»Ich kann es nur immer wieder sagen: Das ist die irrste Geschichte, die ich jemals gehört habe.«
Mark rieb sich die Schläfen. Er war erschöpft wie noch nie zuvor, aber gleichzeitig viel zu aufgewühlt, als dass er in den nächsten Stunden hätte schlafen können. Er durchsuchte seine Jacke nach Zigaretten, als Axel ihm ein Päckchen Marlboro hinhielt. Mark bediente sich. Axel gab ihm Feuer, steckte sich selbst eine an und sah zum Himmel.
Ein Bataillon Schäfchenwolken zog von Osten heran. Das Morgenrot tauchte es in unwirklich anmutendes Violett.
Unwirklich, dachte Mark. Ja, das trifft es wohl am besten. So, wie nun alles unwirklich anmutet. Aber wer kann letztlich schon sagen, was wirklich ist und was nicht?
Axel schien einen ähnlichen Gedanken gehabt zu haben. Das verriet sein Blick, als er fragte: »Hat sie eine Chance, jemals wieder ein normales Leben zu führen?«
»Eine Chance gibt es immer. Es ist nur eine Frage der Zeit. Wenn sie verstehen lernt, dass sie Lara und nicht Ellen ist, kann man ihr helfen. Dann gibt es die Aussicht auf einen Neuanfang.«
»Wirklich sicher bist du dir aber nicht, oder?«
Mark warf die Zigarette zu Boden und drückte sie mit der Schuhspitze aus, etwas heftiger als nötig. »Das beschäftigt mich schon seit ich weiß, was mit ihr geschehen ist. Natürlich kann ich mir nicht sicher sein. Im schlimmsten Fall wird sie zeitlebens verwirrt bleiben. Ganz unwahrscheinlich ist das nicht, bedenkt man die Dauer ihrer Fugue. Es kann durchaus sein, dass sie sich zu lange nicht mehr über ihr wahres Ich im Klaren war, um jemals wieder zu sich selbst zurückzufinden. Ich hoffe inständig, dass dem nicht so ist, aber ausschließen lässt es sich nicht.«
Axel nickte nachdenklich. »Und du selbst? Wie geht es jetzt für dich weiter?«
Schulterzuckend sah Mark auf die zerdrückte Kippe. »Keine Ahnung. Ich denke, ich brauche erst einmal Abstand von allem. Man hat mir vor einiger Zeit einen Posten an einer anderen Klinik angeboten. Schätze, ich werde nachfragen, ob die Stelle noch frei ist.«
»Warum willst du nicht hierbleiben und dich um sie kümmern? Bei dir wäre sie doch in besten Händen.«
»O nein.« Energisch schüttelte Mark den Kopf. »Ich wäre der denkbar schlechteste Therapeut für sie. Nicht aus gekränktem Stolz, weil ich mich von ihrer Störung habe täuschen lassen, sondern weil ich irgendwann versuchen würde, Lara wieder zu Ellen zu machen. Oder zumindest zu jemandem, den ich in ihr sehen möchte. Auch wenn ich dagegen ankämpfen würde, so würde ich dennoch versuchen, etwas Einmaliges zurückzuholen, und sei es nur unterbewusst. Dadurch würde ich Lara ihrer Chance berauben. Ich bin – wie heißt es doch so schön – befangen.«
Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Nein, ich denke, alles, was ich für sie tun konnte, habe ich bereits getan. Kannst du das verstehen?«
Axel sah ihn forschend an. »Du warst heimlich in sie verliebt, stimmt’s?«
Inzwischen zeigte sich die Morgensonne am Horizont und verwandelte das surreale Violett in klares Tageslicht – das Unwirkliche wich der Realität.
Mark schob die Hände in die Hosentaschen und ging ein Stück, ohne sich nach Axel umzusehen. Als er die Straßenecke erreichte, blieb er stehen und beobachtete den Morgenverkehr. Hupend und dröhnend machte sich die Stadt für einen neuen Tag bereit.
In diesem Augenblick verspürte Mark tiefen Frieden. Plötzlich verstand er, dass es keine Rolle spielte, ob etwas unwiderruflich zu Ende war. Ganz gleich, was der neue Tag für ihn bereithalten mochte, eines war ihm
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