Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
Verliebtheit.
Es dauerte auch nicht lange, bis er ein passendes Paar erspäht hatte. Sie war eine Hübsche, groß und schlank, und unter ihrem rosafarbenen Hut lugten schimmernd braune Locken hervor. Das Kleid, ebenfalls rosa, schimmerte auch, es war wohl Seide und schmiegte sich elegant um ihre Hüften. Wie anders als die aufgeputzten grellen Fummel, die seine Schwestern trugen, wenn sie auf Männerfang gingen. Der Herr trug einen hellen Anzug und einen weißen Hut. Die spitzen Schuhe glänzten frisch gewienert, ein goldener Ring blitzte an seiner Hand auf. Schnieke!
Und noch mehr, die hintere Hosentasche beulte eine Geldbörse aus. Sie blieben an einem Brunnen stehen, und die Hübsche kicherte.
Fritz erhob sich und schlenderte näher. Eine Zeitung lag achtlos fortgeworfen am Wegesrand, er bückte sich danach und hob sie auf. Der feine Pinkel schlang der Dame den Arm um die Tallje, aber sie schubste ihn weg. Noch immer kichernd. Das schien der als Einladung zu verstehen und packte fester zu. Sie wand sich ein bisschen, dann sah sie über die Schulter zu ihm, Fritz hin. Er versuchte, sich den Anschein zu geben, tief in die Zeitungslektüre versunken zu sein. Doch vorsichtig schielte er zu ihr hoch. Und erhaschte ein Augenzwinkern.
Überrascht blickte er auf.
Sie ließ sich jetzt richtig drücken, drehte den Kopf zu dem Mann hin und machte ein Kussmäulchen. Dabei stahl sich ihre Hand unter seine Jacke und hob sie ein wenig an. Genau da, wo die dicke Geldbörse steckte.
Entweder sie kreischte gleich: »Dieb!«, oder sie suchte einen Komplizen. Er streifte dicht an ihnen vorbei, sie ließ sich abknutschen, er zog flugs die Börse und versenkte sie in seinem Hemd. Dann ging er beschwingten Schrittes weiter.
Ein Aufheulen aus männlicher Kehle ließ ihn zusammenzucken. Er schlüpfte hinter einen Baumstamm. Doch nicht Empörung ob des Raubes hatte das Heulen verursacht, sondern ein derber Tritt mit den hochhackigen Schuhen auf die spitzen Treter ließ den feinen Herrn auf einem Bein hüpfen. Das Frollein maß ihn hochmütig und gab ihm wohl auch noch mit Worten zu verstehen, was sie von seiner Schmuserei hielt.
Fritz sah zu, dass er Land gewann.
An einer stillen Ecke setzte er sich ins Gras und begutachtete seine Beute. Fast hundert Mark in Scheinen, einiges Münzgeld, eine Fahrkarte nach Magdeburg.
Das war ein Zeichen des Schicksals, oder?
Jetzt musste er nur noch aufpassen, dass ihm keiner das Geld klaute. Am besten begab er sich zum Bahnhof. Dort würden ihm die Diakonissen von der Bahnhofsmission sicher einen Schlafplatz zuweisen. Aber als Allererstes würde er sich eine Bratwurst kaufen. Und ein Bier bei Aschinger an der Bierquelle!
Fritz, siebzehn Jahre alt, befand sich auf dem Weg ins Glück.
4. NACHTZUG NACH PARIS
I’m a rambler, I’m a gambler, I’m a long way from home.
And if you don’t like me, then leave me alone.
I’ll eat when I’m hungry, I’ll drink when I’m dry,
If the moonshine don’t kill me, I’ll live ’til I die.
Traditional
D en rechten Arm anheben«, sagte Hans, und Mac folgte seiner Anweisung geduldig. Mit mehreren Stecknadeln zwischen den Lippen zupfte Hans an dem Tweedjackett herum und knurrte dabei leise vor sich hin. Auf dem Bett lagen bereits drei Hosen, eine Weste und vier Hemden, und zwei weitere Jacketts, davon eines aus feinstem schwarzem Wolltuch, hingen auf Drahtbügeln am Schrank. Fast faltenfrei hatten die Sachen den Transport im Seesack überstanden und mussten jetzt noch ein klein wenig an seine hagere Figur angepasst werden. Der Vorbesitzer war ein Mann von hohem Qualitätsanspruch gewesen, stellte Mac fest. Und er würde inzwischen vermutlich mit großem Bedauern in seinen inhaltslosen Schrankkoffer blicken. Mac fragte nicht, auf welche Weise Hans ihn geleert hatte. Aber er musste schon auf dem Dampfer weit mehr an die Zukunft gedacht haben als er selbst. Eine passende Garderobe gehörte dazu.
Seit einer Woche waren sie in Paris, hatten eine billige kleine Pension gefunden und sich eingerichtet. Die Fahrt von Marseille die Rhône entlang hatte Macs Lebensgeister so langsam wieder geweckt. Das sommerlich grüne Land mit seinen alten Dörfern, den Kirchen und kleinen Châteaus war ein lindernder Anblick nach den Jahren staubig grauer, sonnenverbrannter Gebiete, in denen es tagtäglich ums Überleben ging. Das Essen in den Gasthäusern schmeckte ihm wieder, der Wein, abends unter dem Sternenhimmel genossen, schenkte ihm erholsamen Schlaf. In Paris
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