Triumph des Himmels: Historischer Roman (German Edition)
angekomm en, hatte er wieder so viel Energie, dass er sich um seine Geldangelegenheiten kümmern konnte. Es war kein Vermögen, das nun auf seinem Konto lag, aber es reichte, um ein paar Monate bescheiden zu überleben. Es reichte auch für das Startgeld. Denn der Köder hatte schließlich gewirkt, er hatte angebissen und sich – mit Hans als seinem Beifahrer – für die Rallye angemeldet. Es mochte sein, dass weit stärkere Fahrzeuge und weit bessere Fahrer seine Konkurrenz waren, aber ihrer beider Vorteil war, dass sie die Strecke zwischen Paris und Berlin kannten. Und er selbst war, und hier war keine falsche Bescheidenheit vonnöten, ein Meister der Motorenkunde. Seinen Ford konnte er mit verbundenen Augen auseinandernehmen und wieder zusammensetzen. Er spürte unter seinen Fingern jedes Schräubchen, jeden Flansch, jedes Kabel, wusste, wann sie nachgezogen, befestigt oder geschmiert werden mussten. Es kam bei einer Rallye – anders als bei einem Rennen – nicht auf die Geschwindigkeit an, sondern auf die Ausdauer und die Zuverlässigkeit von Automobil und Fahrer. Wobei – auch hier hatte er seine Kunst eingesetzt – es ihm gelungen war, noch ein paar Pferdestärken mehr aus dem Motor hervorzulocken.
»Bist du bald fertig mit deiner Flickschusterei?«, fragte Mac, als ihm langsam der erhobene Arm schwer wurde.
»Gleich. Da, so, jetzt haben wir es. Mister MacAlan, Sie sind gerüstet für unsere gesellschaftlichen Auftritte.«
»Auf die ich mich besonders freue«, murrte Mac.
»Schöne Frauen, Champagner, erlesenes Essen, komfortable Hotelzimmer.«
»Geschniegelte Leute, dröge Reden, Paparazzi.«
Er nahm die Zeitung auf und blätterte sie durch. Noch immer herrschte der zermürbende Krieg in Marokko. Franzosen und Spanier gingen inzwischen gemeinsam gegen die Rif-Kabylen vor. In Paris war ein Leopard aus dem Zoologischen Garten entwichen, und ein Großaufgebot von Freizeitjägern hatte des Nachts versucht, seiner habhaft zu werden. Dabei waren etliche Jäger zu Schaden gekommen, der Leopard wurde nicht gesehen. Mac schüttelte den Kopf, nur mäßig belustigt. Weder in Marokko noch im Bois de Boulogne waren die Franzosen erfolgreich.
Die anderen Nachrichten überflog er auch, die Wirtschaftsseite hätte er beinahe überblättert, wäre ihm nicht ein kleiner Hinweis ins Auge gefallen.
»Hast du gesehen, dass die Amerikaner in Berlin-Moabit ein Ford-Werk gegründet haben?«
»Ford? In Berlin? Ich dachte, ausländische Fahrzeuge dürfen nicht eingeführt werden.«
»Sie bauen sie aber hier – damit werden sie das Embargo umgehen. Clever.«
»Wir sollten für ein paar Tage nach Berlin reisen, Mac. Könnte doch für dich von Interesse sein.«
Mac seufzte.
Der Entschluss, an der Rallye teilzunehmen, war ihm doch schwergefallen. Seine Lethargie abzuschütteln hatte ihn jeden Morgen erneut beinahe übermenschliche Anstrengung gekostet, aber inzwischen fühlte er sich deutlich tatkräftiger. Natürlich hatte Hans recht, es könnten sich Möglichkeiten in Berlin ergeben. Ab Januar des nächsten Jahres sollte am Westhafen in Moabit die Ford-Herstellung aufgenommen werden. Die vor fünf Jahren erlassene Einfuhrsperre für ausländische Fahrzeuge hatte man gerade am siebzehnten August aufgehoben, und so würde die Tin Lizzy aus den importierten Bausätzen nun auch an der Spree am laufenden Band montiert.
Vielleicht war es wirklich nicht verkehrt, für einige Tage die Hauptstadt zu besuchen und mit den Herren der Ford-Werke in Kontakt zu treten. Sie hatten ja sonst nichts vor.
Zwei Tage später nahmen sie den Zug, der sie über viele langweilige Stunden hinweg nach Berlin brachte. In einer nicht eben noblen Pension fanden sie Unterkunft, und Mac gelang es, schon am nächsten Nachmittag einen Termin bei der Geschäftsführung der Ford-Leute zu erhalten.
Macs britischer Akzent störte die Herren nicht, seine technischen Kenntnisse überzeugten sie, seine Zeugnisse weniger. Aber Mac hatte wieder Kampfgeist entwickelt. Die Wirren des Krieges, der lange Aufenthalt in Marokko, seine Verletzungen durch den Giftgaseinsatz – das brachte er als Begründung dafür vor, dass seine Papiere nicht in der rechten Ordnung waren. Und als er von seiner Teilnahme an der Rallye sprach, begannen die Augen des Akquisitionsmanagers zu leuchten.
Wenn er einen guten Platz, gar einen strafpunktfreien Verlauf mit seinem Modell T erzielen würde, stünden ihm im Berliner Werk alle Türen offen. Zeugnisse hin, Zeugnisse her.
Das
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