Truthahn um zwölf
sie würde verschwinden. Sie verdirbt einem alles.«
»Wieso? Du siehst sie ja nicht oft, oder?«
»Immer noch oft genug. Sie kommt mit dem Colonel, geht um die Regale herum und sagt: >Schau dir das komische alte Ding an. Sowas habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen!< oder: >Sie haben das nicht? Aber ich dachte, das führt jedes moderne Geschäft, sogar in Neuseeland.< Sie mag mich nicht.«
Das wunderte mich nicht. Ursula bemühte sich nicht, Angehörige ihres eigenen Geschlechts zu mögen, besonders, wenn sie jung und anziehend waren. Tony fuhr fort: »Nett, daß man den Colonel mal wieder ohne sie gesehen hat. Vermutlich ist sie bei Tim. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Anne das aushält.«
»Wie meinst du das?«
»Die Art, wie sie ein Theater um Tim macht und Anne herablassend behandelt. Es ist gemein von ihr, denn natürlich sieht man im siebten Monat nicht gerade blendend aus. Tim gefällt ihr natürlich. Ursula benimmt sich in mancher Hinsicht genau wie — wie ein eingebildetes Pferd.«
»Ich liebe sie auch nicht besonders, aber wir müssen nett zu ihr sein, wegen des Colonels.«
»Dir und Larry macht das ja wenig aus. Ihr kommt gegen sie auf. Mich stört es wenig, wie eine dumme Dienstmagd behandelt zu werden, aber für Anne ist es scheußlich. Ich kann Frauen nicht ausstehen, die sich so ausschließlich den Männern widmen. >Ach Paul, wie müde Sie aussehen! Ich hole schnell etwas zum Trinken für Sie. Nein, ich bestehe darauf. Sie bleiben hier still sitzen und ruhen sich aus.<«
Ich lachte. Sie hatte Ursula sehr gut nachgemacht. »Nun ja, man kann es aushalten. Manche Frauen sind eben so, auch wenn es uns nicht paßt. Ich seh’ sie sowieso nicht oft.«
Wir tranken mit Tantchen Kaffee und erzählten ihr die Geschichte vom Schweinefangen. Als Tony wieder von Ursula anfing, merkte ich, daß Tantchen wohl der gleichen Meinung war, aber sie war objektiv wie immer.
»Miß Maitland fühlt sich einfach nicht zuhause hier in den Backblocks«, sagte sie.
»Warum fährt sie dann nicht heim? Warum bleibt sie nicht in England und heiratet so eine sportliche Type, irgendeinen Pferdenarren, dem es gefällt, wenn seine Frau selbst wie eines aussieht?« fragte Tony.
Ich lachte. »Vielleicht findet sie hier so jemanden.«
»Ach, nie«, sagte Tony. »Sie hat erst vor kurzem gesagt, daß keine zehn Pferde sie dazu brächten, sich in Neuseeland niederzulassen. >Absolut keine Kultur, wirklich!< Sie ist eben eine von der Sorte, die sich mit größtem Vergnügen auf die Ehemänner anderer Frauen stürzt.«
»Jetzt übertreib nicht«, griff Tantchen ein. »Sie ist eine sehr tüchtige Frau.«
»Und sie weiß so viel!« stimmte ich zu. »Das mußt du zugeben, Tony.«
Tony murmelte etwas Unverschämtes über Leute, die viel wissen, und ging in den Supermarkt zurück.
Als wir allein waren, sagte ich: »Komisch, wen Tony mag und wen nicht. Caleb zum Beispiel. So eine gottverlassene Gegend. Erstaunlich, jemand so sanften und gebildeten dort zu finden.«
»Da haben Sie recht. Ich mag Caleb Fielder gerne. Er ist ein ordentlicher Mensch, aber er hätte sich nie an eine Farm wagen dürfen. Er leistet nur etwas, wenn er alles gesagt bekommt. Er ist einer von Tonys >Schützlingen<, und sie ist rührend zu ihm.«
»Vor kurzem hab’ ich einen anderen ihrer Freunde getroffen, der nun wirklich kein »Schützling« ist. Ein schicker junger Mann. Colin Manson. Kennen Sie ihn näher?«
»Nur vom Geschäft. Er ist sehr erfolgreich und charmant.«
»Das heißt, daß Sie ihn nicht besonders mögen?«
»Also Susan! Man muß ihn einfach mögen, wenn er sich so von seiner besten Seite zeigt, und alles wegen Tony.«
»Meinen Sie...?«
»Meine Liebe, regen Sie sich nicht gleich auf. Tony weiß schon, was sie tut. Es gibt noch genug andere junge Männer, und sie muß sich austoben. Ich glaube nicht, daß sie es mit einem von ihnen ernst meint.«
»Der Tag wird kommen«, sagte ich düster. Aber selbst in meinen eigenen Ohren klang das so nach klagender Mutti, daß ich auflachte. »Ich bin froh, daß Larry mich nicht hören kann! Ich fange schon an, mich über alles Mögliche und Unmögliche aufzuregen. Ich werde langsam alt.«
»Davon hab’ ich noch nichts gemerkt. Wie oft hab’ ich gewünscht, Sie und Larry würden ein bißchen vernünftiger werden und weniger Schaden anrichten. Was haben Sie noch für Sorgen, Susan?«
»Ich hab’ nur das Gefühl, daß es Anne nicht gut geht, und ich wollte, wir könnten ihr mehr
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