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0559 - Kapitän Sensenmann

0559 - Kapitän Sensenmann

Titel: 0559 - Kapitän Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Der Sturm tobte mit elementarer Wucht um das alte Haus. Er rüttelte an den Dachpfannen wie ein wildes Tier, sprang gegen den Anbau und zerrte dort derart stark an den Fensterläden, daß diese klapperten wie ein altes Gebiß.
    Manchmal schlief er für Sekunden ein, dann brauste er wieder auf und überfiel das Haus erneut. Nicht weit entfernt, wo das Wasser der See zu haushohen Wellen hochschäumte, wuchtete er die gewaltigen Massen gegen die hoch aufragenden Felsen, so daß an ihnen eine breite Spur aus Gischt in die Höhe stieg, sich überstürzte und erneut in die anrollenden Wassermassen krachte.
    Die zwei Frauen hockten in der Küche. Ihre Gesichter waren blaß geworden. Ein Tisch trennte die beiden Personen. Hin und wieder schielten sie mit besorgten Blicken zur Tür, an der der Sturm rüttelte…
    Eine Kanne mit heißem Tee stand auf dem Tisch. Aus den Tassen stiegen blasse Dampfwolken.
    Mutter und Tochter schauten sich an. Auf den Lippen der jüngeren Frau lag ein dünnes Lächeln, nicht so auf denen der älteren. Sie blickte sehr ernst. Ihren Augen war anzusehen, daß sie noch vor kurzem geweint hatte.
    Die Mutter nickte. »Ja«, sagte sie leise, »das ist wieder eine solch fürchterliche Nacht. Da wird das Meer zu einer kochenden Hölle und schleudert ihn aus der Tiefe.«
    Gayle Bowman seufzte, trank Tee und verstärkte ihr Lächeln.
    »Daran glaube ich einfach nicht, Mutter. Aber um dir einen persönlichen Gefallen zu tun, bin ich hier. Wir müssen ein für allemal Schluß machen mit diesen Gespenster-Geschichten.«
    »Du kommst aus der Stadt, Gayle. Du wohnst schon lange dort, bist eine Polizistin. Ich freue mich, daß du diesen Weg eingeschlagen hast, der auch erfolgreich gewesen war, aber hüte dich davor, deine Kindheit und Jugend zu vergessen, die du hier verbracht hast.«
    »Als Kind hast du mich damit erschrecken können.«
    Harriet Bowman schüttelte den Kopf. »Gayle, ich sage dir, Käpt’n Sensenmann ist auch heute noch da. Es wird kommen, ich spüre es. Dein Vater hat ihn versucht zu stellen. Es ist ihm nicht gelungen. Er stürzte von den Klippen. Man fand ihn mit zerschmetterten Knochen.«
    »Ich dachte, es wäre ein Unglücksfall gewesen«, erwiderte Gayle staunend. Sie strich durch ihr kurzgeschnittenes Haar, das über der Stirn eine moderne Igelfrisur zeigte. Das Braun der Haare wiederholte sich in ihren Pupillen.
    »Im Prinzip war es das auch. Ich und einige andere Personen sind davon überzeugt, daß er deinen Vater damals geholt hat.«
    »Du meinst diesen Kapitän.«
    »Richtig.«
    »Hast du ihn denn gesehen, oder existiert er nur in deiner Phantasie?«
    Harriet Bowman bekam einen fast bösen Blick. »Nein, ich habe ihn nicht gesehen.« Sie schob sich vor, das Kinn schwebte über der Tasse. »Aber ich weiß, daß es ihn gibt. Wer ihn sieht, ist verloren, Gayle. Für den gibt es kein Zurück mehr.«
    »Nun ja, das…«
    »Du solltest daran nicht zweifeln, du…« Sie unterbrach sich, da wieder eine Sturmbö heranorgelte, die wie mit Pranken gegen das Haus schlug, so daß es in den Grundfesten erzitterte. »Es gibt Menschen, die haben ihn von Ferne gesehen. Er ist ein Monster, ein Untier, ein fürchterliches Wesen, das nur mehr aus einer tiefen Rache und Mordlust besteht. Jedem, der von ihm weiß, steckt die Angst in den Knochen. In den letzten Monaten hat es sich verschlimmert. Aus den Dörfern hat er wieder seine Opfer geholt. Stets geschah dies in stürmischen Nächten. Begreife das doch endlich einmal, Gayle!«
    Die fünfundzwanzigjährige Polizistin legte ihre Hand auf die ihrer Mutter. »Deshalb bin ich ja zu dir gekommen. Ich möchte erleben, wie es ist, wenn er kommt.«
    »Das wirst du auch – vielleicht«, schränkte sie ein.
    »In der letzten Nacht jedenfalls ist nichts geschehen.«
    »Das kann sich ändern, aber ich hoffe, daß er nicht kommt.«
    Gayle leerte ihre Tasse und schenkte Tee nach. »Was ist eigentlich mit den Frauen geschehen, die verschwanden?«
    »Niemand weiß es.«
    »Und was sagt die Legende?«
    »Es gibt verschiedene Versionen. Ich habe sie dir schon erzählt. Einmal heißt es, daß der Käpt’n dem Kannibalismus frönt, zum anderen wird behauptet, daß er die Frau an die Rah hängt.«
    »Dann kommt er mit dem Schiff.«
    »Mit einem Geisterschiff, das vor langer Zeit gesunken ist. Aber es tauchte immer wieder auf, Gayle. Immer wieder…« Harriet seufzte.
    Mit einer müde wirkenden Bewegung wischte sie über ihre Augen.
    »Ich will dich nicht noch mehr

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