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TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1

Titel: TS 53: Alle Zeit der Welt, Teil 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Kuttner
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seiner Erbanlagen verloren. Die formativen Lebenskräfte, die Körperbau, Konstitution, Verhalten und Typus bedingten, waren unwiderruflich verändert.
    Schilddrüse, Hypophyse, Zirbeldrüse – winzige Gewebelappen, von denen einige ihre Arbeit schon aufgenommen hatten, während andere erst mit zunehmender Reife ihre Produkte in die Blutbahn ausschütten würden. Knochen und Schädeldecke bestanden noch aus weichem Knorpel, und das Kind wurde bewußt mißgestaltet.
    „Ich will kein Ungeheuer“, hatte Blaze angeordnet, der unaufhörlich an Bessi dachte. „Klein und massig soll er wirken – mit einem Wort, dick.“
    Der bandagierte Gewebeklumpen lag reglos auf dem Operationstisch. Keimtötende Lampen bestrahlten den betäubten Körper.
    Die Frau, die in der Vorahnung kommender Ekstase schwamm, schaffte es noch, auf einen Klingelknopf zu drücken. Dann legte sie sich auf den Boden nieder. Das schimmernde, perlweiße Gewand liebkoste sie. Verzückt und leer starrten ihre Augen zur Decke.
    Der Mann, der hereinkam, machte einen weiten Bogen um den Glückseligkeitsumhang. Er führte die notwendigen Handgriffe durch, die sich an die Operation anschlossen.
    Die Harkers beobachteten Blaze, in der Hoffnung, das Kind über seinen Vater zu finden. Aber Blaze hatte seinen Plan zu sorgfältig ersonnen, um solche Schlupflöcher nicht zu verstopfen.
    Sams Fingerabdrücke und Netzhautmuster lagen in einem sicheren Versteck. Blaze wußte, daß er mit ihrer Hilfe jederzeit seinen Sohn ausfindig machen konnte. Er hatte es damit nicht eilig. Was geschehen würde, würde eben geschehen. Unter den geschaffenen Voraussetzungen bestand keine Hoffnung für Sam Harker.

 
2.
     
    Die frühen Jahre verschmolzen mit der grauen Vergangenheit. Die Zeit verstrich langsam für Sam. Stunden und Tage schleppten sich dahin. Der Mann und die Frau, die er als Vater und Mutter kannte, hatten nichts mit ihm gemein. Denn die Operation hatte sein Gehirn nicht verstümmelt; den Verstand und den erfinderischen Scharfsinn hatte er von seinen mutierten Vorfahren geerbt.
    Die Mutation hatte die Harkers nur insoweit verändert, als sie ihre Langlebigkeit herbeiführte. Aber diese Eigenschaft hatte ihnen ermöglicht, auf der Venus zur herrschenden Sippe aufzusteigen. Sie waren nicht die einzigen, die ein langes Leben vor sich hatten; außer ihnen sahen noch einige hundert andere Männer und Frauen einem Alter entgegen, das zwischen zwei- und siebenhundert Jahren schwankte. Doch das Geschlecht der Harkers bewahrte sein Blut. Seine Nachkommen waren leicht zu erkennen.
    Sam erinnerte sich an ein Maskentreiben, das er erlebt hatte. Seine Pflegeeltern putzten sich linkisch heraus und mischten sich unter die übrigen. Er war zu dieser Zeit alt genug, um wie ein vernunftbegabtes Tier zu denken. Flüchtig hatte er bereits hier und da sinnenverwirrende Schönheit gewahrt, aber sie noch nie aus nächster Nähe empfunden.
    Die Karnevalszeit zählte zu den eifersüchtig gehüteten Bräuchen. Die Delawarekuppel glitzerte von einem Ende bis zum anderen. Der Dunst farbigen Parfüms trieb über den Gleitbändern und haftete an den durcheinanderwimmelnden Menschen. Solange der Karneval dauerte, gab es keine Klassenunterschiede.
    Theoretisch waren alle Stände gleich. In Wirklichkeit jedoch –
    Sam sah eine Frau von solchem Liebreiz, wie er sie noch nie erblickt hatte. Ihr Gewand war blau, doch wurde dieser Ausdruck seiner Farbe nicht im mindesten gerecht. Es war ein reiches, tiefes Blau, so samten und fließend, daß der Junge kaum den Drang unterdrücken konnte, es zu berühren.
    Er war noch zu jung, um den vollendeten Schnitt des Kleides und die Art zu erfassen, wie es die Züge der Frau und ihr weizenblondes Haar betonte. Er erblickte sie aus einiger Entfernung und verspürte ein brennendes Verlangen, mehr über sie zu erfahren.
    Seine Pflegemutter konnte ihm keine Auskunft geben.
    „Die Frau heißt Kedre Walton. Sie muß bald zwei- oder dreihundert Jahre alt sein.“
    „Ja.“ Jahre bedeuteten ihm nichts. „Aber wer ist sie?“
    „Ach, sie bekleidet eine Menge Posten.“
    „Wir feiern unser Abschiedsfest, mein Lieber“, sagte sie.
    „Nach so kurzer Zeit schon?“
    „Nach sechzig Jahren – oder waren es noch mehr?“
    „Kedre, Kedre – manchmal wünschte ich, unser Leben wäre kürzer.“
    Sie lächelte ihn an.
    „Dann hätten wir uns nie kennengelernt. Wir Unsterblichen begegnen uns nur, weil wir alle der gleichen Stufe entgegenstreben.“
    Zacharias Harker

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