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TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt

Titel: TS 97: Das Mittelalter findet nicht statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. Sprague de Camp
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mir sagen, wo ich einen Polizisten finde?“
    Der Mann unterbrach seinen Redefluß, zuckte die Achseln und erwiderte:
    „Non compr’ endo.“
    „He!“ machte Padway. Der Mann starrte ihn an. Padway übersetzte seine Frage ins Lateinische.
    Der Mann überlegte und erklärte dann, er wisse es nicht.
    Wenn das das Rom des zwanzigsten Jahrhunderts war, sollte es keine Schwierigkeiten machen, einen Polizisten zu finden. Nachdem diese Schwierigkeit allem Anschein nach doch bestand, mußte er, Padway, sich (a) entweder in einer Kinokulisse oder (b) im antiken Rom (die Tancredi-Hypothese) oder (c) einer Ausgeburt seiner eigenen Phantasie befinden.
    Er ging weiter. Reden war zu anstrengend.
    Er war noch nicht besonders weit gelangt, bis die Entdeckung, daß diese anscheinend antike Stadt sich meilenweit nach allen Richtungen erstreckte, ihm jede Hoffnung auf die Richtigkeit der Hypothese (a) nahm.
    Die Aufschriften an den Läden waren im verständlichen klassischen Latein gehalten. Die Schreibweise war wie in Cäsars Zeiten geblieben, was man von der Aussprache nicht behaupten konnte.
    Padway lehnte sich an eine Wand und sah dem Verkehr zu, der aus Ochsenkarren, Sänften und Reitern bestand. Rings um ihn bewegten sich Leute, und Padway lauschte konzentriert auf das, was sie redeten. Wenn er sich sehr anstrengte, brachte er es fertig, lateinisch zu denken. Er brachte zwar die Konjugationen und Deklinationen durcheinander, hatte jedoch keine unüberwindlichen Schwierigkeiten mit dem Wortschatz.
    Es blieben ihm also nur zwei Hypothesen übrig: entweder Delirium oder Zeitrutsch. Delirium schien unwahrscheinlich. Er mußte also von der Vermutung ausgehen, daß die Dinge wirklich so waren, wie sie schienen.
    Er konnte aber nicht ewig hier stehen bleiben. Er würde Fragen stellen müssen und sich orientieren. Der bloße Gedanke daran jagte ihm kalte Schauer über den Rücken. Er sprach ungern fremde Leute an, aber schließlich überwand er sich.
    „Entschuldigen Sie, könnten Sie mir das Datum sagen?“
    Der Mann, den er angesprochen hatte, ein freundlich aussehender Bursche mit einem Laib Brot unter dem Arm, blieb stehen und musterte ihn verständnislos:
    „Qui’ e’ – was ist denn?“
    „Ich sagte, könnten Sie mir das Datum sagen?“
    Der Mann runzelte die Stirn. Würde er jetzt ungemütlich werden? Aber er sagte bloß:
    „Non compr’ endo.“
    Padway versuchte es noch einmal, wobei er diesmal langsamer sprach, aber der Mann wiederholte nur, daß er nicht verstehe.
    Jetzt holte Padway sein Notizbuch und einen Bleistift heraus. Er schrieb seine Bitte auf ein Blatt Papier und hielt es dem Mann hin.
    Der starrte es an und bewegte dabei die Lippen.
    „Oh, Sie wollen das Datum wissen?“ sagte er.
    „Sic. Das Datum.“
    Der Mann rasselte einen Satz herunter. Ebensogut hätte er Sanskrit sprechen können. Padway fuchtelte mit den Händen herum.
    „Lento!“
    Der Mann trat einen Schritt zurück und fing noch einmal an:
    „Ich sagte, ich hätte verstanden, und ich dachte, es sei der neunte Oktober, aber ich bin nicht sicher, weil …“
    „Was für ein Jahr?“
    „Was für ein Jahr?“
    „Sic, was für ein Jahr?“
    „Zwölfachtundachtzig anno urbis conditae.“
    Jetzt war Padway an der Reihe, verständnislos dreinzusehen. „Bitte, was ist das in der christlichen Zeitrechnung?“
    „Sie meinen, wie viele Jahre seit der Geburt Christi?“
    „Hoc ille – richtig.“
    „Nun, ich weiß nicht; fünfhundert und noch was. Fragen Sie am besten einen Priester, Fremder.“
    „Das werde ich tun“, sagte Padway. „Vielen Dank.“
    „Keine Ursache“, sagte der Mann und ging weiter. Padways Knie zitterten, obwohl der Mann ihm nichts angetan hatte, sondern ihm höflich geantwortet hatte. Aber es schien jedenfalls, daß Padway, der ein durch und durch friedfertiger Mann war, sich nicht gerade eine besonders friedliche Periode ausgesucht hatte.
     
    *
     
    Er blieb vor einem Haus stehen, auf dem eine Aufschrift verkündete, daß es S. Dentatus, Goldschmied und Geldwechsler, gehöre. Padway holte tief Luft und trat ein.
    S. Dentatus hatte ein Gesicht, das dem eines Frosches ähnelte. Padway griff in die Tasche und holte sein Hartgeld heraus.
    „Ich … ich möchte das gerne in das hiesige Geld umwechseln.“ Wie gewöhnlich mußte er den Satz wiederholen, um sich verständlich zu machen.
    S. Dentatus musterte die Münzen erstaunt. Es waren italienische, schweizerische und amerikanische Geldstücke. Er kratzte mit einem

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