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Tu dir weh

Tu dir weh

Titel: Tu dir weh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilaria Palomba
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total durcheinander, ihre Zähne klappern, der Kopf ist leer. Sie zieht das Band so stark wie möglich zusammen. Die blauen Flecken auf seinem Arm schwellen an. Stella sieht keine Vene. Ihr zittern die Arme, sie hält die Spritze beidhändig wie eine Waffe, sie versucht, sie ruhig zu halten, aber kein Chance.
    Verdammte Scheiße: die Zähne, die Hände, der Fuß. Wollt ihr mal still halten!
    Sie fängt an, ihm mit der Spritze in die Haut zu pieksen.
    »Nein! Nicht da, stopp«, schreit er.
    Sie zuckt zusammen. Versucht vergeblich, die Nadel in den Arm einzuführen. Bis er sagt: »Ja, los! Da! Stich dort rein!«
    Stella schließt die Augen und spießt Sabinos Arm auf. Er schiebt sie weg und drückt sich den ganzen Stoff rein.
    Dann fällt er aufs Bett, die Spritze noch immer im Arm.
    Sie bleibt sitzen. Kerzengerade. Starrt Löcher in die Luft.
    Der Fixer stöhnt auf der Matratze, als hätte er einen Orgasmus. Er zieht die Spritze heraus, aber die Nadel bleibt im Arm stecken. Stella greift sich an die Kehle, um sich zu vergewissern, dass ihr nicht gerade das Herz herausspringt.
    »Hilfst du mir?«, lallt er.
    Alter, verdammt noch mal, wenn du nicht in der Lage bist, dir einen Schuss zu setzen, dann lass es bleiben. Was willst du noch von mir?
    Sabino hält seinen bläulich verfärbten Arm ganz nah vor ihr Gesicht und schwenkt ihn mitsamt der Nadel vor ihr hin und her. Sie hat das drängende Bedürfnis zu kotzen. Ihr Fuß hämmert jetzt denRhythmus des Teufels auf den versifften Fußboden. Die Zunge ist an den Gaumen gekleistert. Ihre Augen schnellen von den an der Wand hängenden Ketten zur Nadel im Arm des Fixers. Sie kriegt keine Luft. Sie nimmt sich zusammen, erwischt die Nadel mit den Fingernägeln, zieht sie heraus. Sabinos Blut spritzt aufs Bett und auf Stellas Lippen. Eine Welle Rostwasser, zäh und warm. Sie versucht, es mit dem Pulloverärmel zu entfernen, doch der warme Eisengeschmack bleibt im Mund.
    Das Mädchen rennt zur Toilette und kotzt. Als sie ihren Kopf hebt, bemerkt sie den Jauchegestank und die schwarzbraune Kruste im Waschbecken und in der Wanne.
    Stella kommt ins Schlafzimmer zurück. Sabino liegt lächelnd auf dem Bett und fragt sie, ob sie nicht ein bisschen mit ihm chillen möchte.
    »Lass uns einen Film anschauen, hast du Lust?«, lallt er.
    Klar, wie wäre es mit: Die Nacht der lebenden Toten.
    »Sorry, muss los!«
    Sie schnappt sich das Tütchen Koks, schmeißt das Geld auf den Tisch und ist weg.
    Unterwegs spürt sie immer wieder, wie ihr Handy vibriert, aber sie geht nicht ran. Sie will mit niemandem sprechen. Schnell lässt sie die Stadtviertel Madonnella und Poggiofranco hinter sich. Während der ganzen Strecke reibt sie sich die Lippen mit dem Ärmel: Das Blut ist nicht mehr da, doch der widerliche Metallgeschmack geht nicht weg.
    Zu Hause liegt ihre Mutter auf dem Sofa, ist vor dem Fernseher eingeschlafen, ihr Vater ist nicht da.
    Na toll: Sie haben bestimmt gestritten.
    Plötzlich wacht Monica auf. Stella geht ins Badezimmer. Ihre Mutter folgt ihr.
    »Mama, heute ertrage ich dich nicht«, sagt sie.
    Monica kommt ihr langsam näher. Stella riecht das verfluchte Nachthemd ihrer Mutter, es riecht alt, nach alter Ehefrau und Mutter, die sie nie werden will. Sie sieht die Falten auf dem Gesicht ihrer Mutter und die Augen, geschwollen vor Müdigkeit.
    »Dein Vater ist losgegangen, um dich zu suchen, weißt du das?«, sagt Monica mit einer Grabesstimme.
    »Könnt ihr bitte aufhören, euch zu benehmen, als ob ich hirnamputiert wäre?«, sagt Stella und versucht, die Ausdünstung des Koks abzuschätzen.
    »Stella, was ist mit dir los?«, fragt ihre Mutter und macht einen Schritt zurück, um sie in Gänze zu betrachten.
    Stella schweigt.
    Lass dich nicht erwischen, du Idiot.
    Ihre Mutter betrachtet sie forschend.
    »Mit dir stimmt etwas nicht, Stella, wir sind doch nicht blind.«
    Was willst du denn?
    »Mama, raus!«, schreit sie.
    »Du sagst nicht einfach ›raus‹ zu mir«, brüllt ihre Mutter.
    Stella stößt sie aus dem Türrahmen des Badezimmers.
    »Hat man so was schon gesehen. Was für eine verzogene Göre!« Monica hat schon aufgegeben, ihre Stimme entfernt sich.
    Stella zieht sich aus, legt die Jeans und den Pullover in eine kleine Wanne und kippt die Flasche Desinfektionsmittel drüber. Sie stürzt in die Dusche. Bleibt drei Stunden lang. Wasser reinigt, sagt sie sich, Wasser beseitigt auch den Dreck im Innern.

DER KURIER
    »Das ›Vom-Andern-gesehen-werden‹ ist die Wahrheit des

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