Tuch und Tod (Ein Berringer-Krimi) (German Edition)
kennen wir beide Gerath zu schlecht, um das beurteilen zu können.“
„ Auch wieder wahr. Trotzdem, ich bin bei diesem Typ anderer Ansicht.“
Berringer schaute sich um. Er sah den Polizisten einige Augenblicke lang dabei zu, wie sie mit einer bewundernswerten Geduld und viel Akribie den Waldboden absuchten. Das Unterholz war recht dicht. Mit etwas Glück war der Täter irgendwo hängen geblieben, hatte etwas verloren oder eine andere Spur hinterlassen, die ihn am Ende vielleicht überführte. So wie die Patronenhülsen.
Nein, dachte Berringer, ein Profi war das nicht. Eher jemand, der etwas demonstrieren wollte. Jemand, der Gerath zeigen wollte, wie klein und machtlos er war. Der Täter wollte beweisen, dass er alles tun konnte, was ihm beliebte, und in jedem Moment die Macht hatte, Gerath das Leben zu nehmen, wenn es ihm gefiel.
Berringer machte zwei Schritte nach vorn, bog die Zweige eines Busches zur Seite, um ins Unterholz vorzudringen.
Arno Kleppke pfiff ihn zurück. „Moment, Berry! Das geht zu weit!“
„ Ich wollte doch nur …“
„ Hier wird jeder Quadratzentimeter erst genauestens unter die Lupe genommen, bis hier jemand was zertrampeln darf. Es ist schon großzügig, dass ich dich hier am Tatort herumrennen lasse.“
Berringer hob die Hände. „Schon gut, Arno.“
„ Mann, Berry, du kennst doch das Geschäft!“
Die Ermittlungen am Tatort zogen sich hin.
Natürlich war Peter Gerath sogleich verständigt worden. Doch der befand sich auf einem Meeting. Zumindest ließ er das Arno Kleppke ausrichten.
„ Vielleicht solltest du dich mit ihm unterhalten“, witzelte Arno Kleppke, an Berringer gewandt. „Vielleicht redet er ja anschließend mit mir, wenn du ihm zunächst mal großartige Erfolge bei deinen Ermittlungen versprichst.“
„ Das Problem ist nur, dass ich diese Versprechungen im Moment noch nicht halten kann“, entgegnete Berringer.
Die toten Tiere wurden abtransportiert, und danach beruhigten sich die Pferde auf der Nachbarweide. Petra Rahmeier und ihr Stallbursche Max Penckenhorst sorgten dafür, dass sie nacheinander zu den Stallungen geführt und in ihre Boxen untergebracht wurden.
Berringer hörte interessiert zu, wie Kleppke anschließend die Reitstallbesitzerin befragte.
„ Hat sich jemand nach Herrn Peter Gerath und seinen Pferden erkundigt?“
„ Nicht, dass mir das aufgefallen wäre.“ Petra Rahmeier, eine sportlich wirkende Mittvierzigerin, schüttelte den Kopf. Sie stand noch sichtlich unter Schock. Berringer verstand sie gut. Die Sache mit den ermordeten Pferden würde morgen in jeder lokalen Zeitung stehen und wahrscheinlich auch überregional über die Medien verbreitet werden. Das war natürlich alles andere als eine gute Reklame für den Rahmeier-Hof, obwohl dessen Besitzerin und ihr Personal nicht das Geringste dafür konnten, dass die Pferde auf der Weide erschossen worden waren.
„ Wir brauchen eine Auflistung aller Gäste, die in den letzten Wochen bei Ihnen waren“, sagte Kleppke.
„ Das lässt sich machen. Allerdings kann ich mir wirklich nicht vorstellen, dass darunter jemand sein könnte, der Pferde kaltblütig abknallt.“ Petra Rahmeier schüttelte den Kopf, noch immer fassungslos, und bedeckte kurz mit ihrer rechten Hand die Augen. Sie unterdrückte ein Schluchzen und biss sich auf die Lippen. Berringer beobachtete, wie Max Penckenhorst im Stall verschwand.
„ Warte hier und hör gut zu“, wandte er sich an Vanessa.
„ Was ist denn?“
„ Ich bin zu einem Vier-Augen-Gespräch mit Max Penckenhorst verabredet.“
„ Ach, könntest du mich das nicht machen lassen?“, fragte Vanessa, und Berringer sah den schwärmerischen Glanz in ihren Augen.
Er schüttelte den Kopf. „Tut mir leid.“
„ Chef-Sache?“
„ Ja.“
„ Herr Penckenhorst?“, fragte Berringer, als er den Stall betreten hatte.
Max Penckenhorst war gerade damit beschäftigt, mit einer Forke altes Stroh aus einer leeren Box in eine Schubkarre zu laden. Irgendwo schnaubte ein Pferd.
„ Was wollen Sie?“, fragte Penckenhorst in einem Tonfall, der alles andere als freundlich war. Er wirkte angespannt und gereizt. Der Tod von Tieren ging vielen Menschen näher als das Ableben eines Mitmenschen. Berringer machte diese Erfahrung nicht zum ersten Mal.
„ Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.“
„ Ich habe doch vorhin schon Ihren Kollegen alles erzählt. Und dann war da noch diese Schnepfe, die so aufdringlich war. Schätze, die war von der
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