Tuch und Tod (Ein Berringer-Krimi) (German Edition)
an die blutverschmierte Satteltasche. Schließlich gelang es ihm, ein Fernglas hervorzuholen. Damit begann er dann, dass verdächtige Areal abzusuchen.
Eine kleine Ewigkeit harrte er so aus.
Schließlich hörte er, wie in der Ferne ein Wagen gestartet wurde. Aber ob das etwas mit den Schüssen zu tun hatte, war reine Spekulation.
Kapitel
Ein Detektiv namens Berringer
Robert Berringer spürte die Hitze. Sein Haar wurde förmlich versengt. Er starrte in die auflodernden Flammen. Sie züngelten aus dem Wagen empor, der sich innerhalb von Sekunden in einen explodierenden Glutball verwandelt hatte. Metallteile wurden durch die Luft geschleudert.
Ein einziger Gedanke durchzuckte Berringers Bewusstsein.
Sie sind dort, in dieser Hölle! Und es gibt nichts, was ich tun kann.
Zwei Namen.
Zwei Tote.
Bettina.
Alexander.
Seine Frau und sein Kind.
„ Robert!“
Wie ein scharfes Messer schnitt dieser Ruf durch seine Gedanken und hallte vielfach in seinem Kopf wieder.
„ Robert!“
Schweiß perlte ihm von der Stirn. Er zitterte und spürte, wie Hände ihn an den Schultern fassten.
„ Robert! Was ist mit dir los?“
Berringer wandte den Kopf und sah in ein Paar braune Augen. Sie gehörten einem Gesicht, das mit der Gegenwart zu tun hatte und dessen Anblick ihn daher auch sofort ins Hier und Jetzt transferierte. Die Hitze war weg. Die Flammen ebenfalls. Nur die Schweißperlen auf seiner Stirn blieben und dazu die Erinnerung an die Hölle, die er durchlitten hatte. Die Hölle von damals.
Das Gesicht gehörte Vanessa Karrenbrock, einer jungen Frau, die stundenweise in seiner Detektei arbeitete, um Ordnung in seine Buchhaltung zu bringen. Außerdem sorgte sie dafür, dass ausstehende Honorare auch angemahnt und eingetrieben wurden.
Eines Tages war sie in seinem heruntergekommenen Büro in Düsseldorf Bilk aufgetaucht und ihn mit ihrer Eloquenz davon überzeugt, dass er unbedingt auf ihre Dienste angewiesen wäre. Das ist Kapitalismus, hatte er gedacht. Man überzeugt jemanden davon, Bedürfnisse zu haben, von denen derjenige bis dahin nichts geahnt hat.
Vanessa war siebenundzwanzig, was, im Vergleich zu Berringers fünfundvierzig Jahren, ziemlich jung, für eine BWL-Studentin im dritten Semester aber schon recht getagt war. Sie hatte alles in ihrem Leben abgebrochen, was man abbrechen konnte, und auch dieses Studium würde sie vermutlich nicht beenden. Außerdem sah in Jeans und T-Shirt nun wirklich nicht so aus, als hätte sie vor, sich dem Lebensstil einer BWL-Studentin wenigstens für Dauer eines kompletten Studiums anzupassen. Da Berringers Büro in der Nähe der Universität lag, hatte er sich oft einen Sport daraus gemacht, einzuschätzen, welcher Fakultät die Studenten angehörten, die dort das Straßenbild prägten. Konservativ-biedere BWLer, elegante Romanistinnen, Sozialwissenschaftler im Grunge-Look oder angehende Psychologen mit Stachelhalsband.
Berringer hoffte, dass Vanessa den Job zumindest so lange behielt, bis die nächste Steuererklärung beim Finanzamt war, sonst konnte es ziemlich unangenehm für ihn werden.
Sie hatte sich manche Freiheiten herausgenommen. Zum Beispiel die, ihren Arbeitgeber Robert zu nennen und zu duzen. Berringer hatte nicht früh genug widersprochen, so war daraus etwas geworden, was man ein Gewohnheitsrecht nennen konnte. Berringer wusste, dass er ihr das Duzen nicht mehr würde abgewöhnen können, und darum versuchte er es auch gar nicht erst.
Er atmete tief durch.
Sie sah ihn etwas verstört an. Er wich ihrem Blick aus. Der Schock, der in ihren Zügen zu lesen stand, war unübersehbar. Sie hatte ihn nie zuvor in diesem Zustand gesehen, und wenn Berringer es hätte vermeiden können, dann wäre das auch niemals so weit gekommen.
Er sah an ihr vorbei.
Jetzt hatte er erst einmal genug damit zu tun, selbst bei Verstand zu bleiben und den Weg zurück in die Realität zu finden, da konnte er sich um das schockierte Gesicht seiner Mitarbeiterin nicht auch noch kümmern. Prioritäten setzen. Darauf kam es an. Das hatte er in den zwanzig Dienstjahren bei der Polizei gelernt. Schnell entscheiden, was wichtig, was etwas weniger wichtig war und was im Moment erst einmal vernachlässigt werde konnte. Nur so vermied man es, sich in kritischen Situationen zu verzetteln.
Er sah an ihr vorbei, blickte zur Uhr.
„ Es ist zehn Uhr zwanzig am Vormittag. Wir haben Dienstag. Ich befinde mich auf meinem Hausboot im Düsseldorfer Hafen, für das ich keinen Namen gefunden
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