Tuch und Tod (Ein Berringer-Krimi) (German Edition)
Augenblick ging die Tür auf, und Mark Lange schneite herein. Er hatte eine Kamera in der Hand. „Lasst mich mal an den Rechner! Ich hab vor Garol ImEx auf der Lauer gelegen und mir die Finger wund geknipst.“
Mark Lange fuhr den Rechner, den Vanessa bereits abgeschaltet hatte, wieder hoch, nahm den Chip aus der Kamera und steckte ihn in die entsprechende Buchse des Rechners. Wenig später konnte man auf dem Schirm die Bilder sehen, die Lange geschossen hatte.
Das Firmengelände von Garol ImEx lag in Hafennähe. Immer wieder fuhren Lastwagen mit rumänischen oder ungarischen Kennzeichen auf das Gelände. Hinter ihnen schlossen sich die Tore. Man konnte nicht sehen, was dort mit der Ladung geschah. Besonders aufschlussreich war es jedoch immer, wenn Personen das Gelände verließen oder dort eintrafen.
„ Das ist er!“, rief Vanessa plötzlich und zeigte auf einen grauhaarigen Mann im kobaltblauen Anzug und in einem mit Pelz besetzte Jacke, die vorne offen war. Die Rolex an seinem Handgelenk und die Jackettkronen, die sein Lächeln offenbarte, zeigten, dass es ihm wirtschaftlich nicht allzu schlecht ging. Auf den ersten Blick wirkte er wie ein seriöser Geschäftsmann. Der Ohrring links und die tätowierte Träne knapp drei Zentimeter unterhalb des rechten Auges gaben seinem Erscheinungsbild allerdings etwas Halbseidenes.
„ Das ist Commaneci“, sagte Vanessa.
„ Bist du dir sicher?“, fragte Mark.
„ Ja, hundertprozentig. Er ist zwar faltiger im Gesicht geworden, aber ansonsten hat er sich im Verhältnis zu den Fotos, die ich im Internet von ihm gefunden habe, kaum verändert.“
„ Der Chef bei Garol ImEx ist aber ein anderer Mann. Nämlich dieser hier!“, berichtete Mark und öffnete ein anderes Bild. Es zeigte einen Mann mit hoher Stirn, gedrungenem Wuchs und sehr starken Augenbrauen.
„ Da ist Lajos Carescu“, meinte Berringer. „Ich weiß, dass er offiziell als Chef von Garol ImEx firmiert, aber es ist bekannt, dass er nur ein Handlanger ist.“
„ Ich schätze, das wird so leicht nicht zu beweisen sein.“
„ Im Moment ist noch gar nichts zu beweisen“, meinte Berringer resigniert. Nur nicht zu viele Hoffnungen machen, dachte er. Schon gar nicht darauf, dass die Eminenz vielleicht endlich enttarnt würde. Die Chance standen eins zu tausend.
Berringer setzte sich vor den Rechner und sah sich die Bilder noch einmal an. Eines klickte er nicht nach ein paar Sekunden weg, sondern betrachtete es sich genauer.
Eine Gruppe von Männern verließ das Firmengelände, und eines der Gesichter glaubte Berringer zu erkennen.
Unmöglich!, dachte er.
Alles in ihm sträubte sich dagegen.
Er spürte plötzlich die sengende Hitze auf seiner Haut. Die Explosion … die Flammen …
Berringer schluckte. Schweißperlen standen ihm mit einem Mal auf der Stirn, und er merkte, wie eine rätselhafte Starre seinen gesamten Körper befiel.
Das ist er!, hämmerte es in ihm.
Seine Gefühle waren sehr zwiespältig. Einerseits wühlte es ihn auf, dieses Gesicht endlich gefunden zu haben, nach all den Jahren. Andererseits führte ihn das wieder zurück in die Vergangenheit, ein Gebiet, das er meiden musste wie der Teufel das Weihwasser. Er stand am Rand der Klippe, und es genügte ein kleiner Schubs, um ihn in den Abgrund zu stoßen. Dann war alles aus. Vielleicht war dann Frieden. Wer wusste das schon …
„ Hey, was ist los, Robert?“, fragte Vanessa.
Berringer gab ihr keine Antwort. Hektisch hantierte er mit der Maus herum und vergrößerte das Bild. Er zoomte das Gesicht des einen Mannes so nah heran, dass die einzelnen Pixel sichtbar wurden und sich schließlich nur noch ein Teppich aus quadratischen Farbflächen zeigte. Es hat keinen Sinn, dachte er. Die Auflösung, die Mark gewählt hatte, ließ eben nur einen gewissen Zoom-Faktor zu, wenn man noch etwas erkennen wollte.
„ Wer ist dieser Mann?“, hörte er Vanessas Stimme wie aus weiter Ferne. Er achtete auch nicht auf sie, sondern war mit seinen Gedanken ganz bei diesem Mann, bei diesem Gesicht …
Berringer glaubte einen Mann an der Straßenecke gesehen zu haben, kurz bevor sein Wagen samt Insassen in die Luft geflogen war.
Einen Mann, der genauso aussah wie der Kerl auf dem Bild.
Berringer war schon viel zu lange in diesem Geschäft tätig, um noch an Zufälle zu glauben. Der Kerl musste etwas mit der Bombe zu tun gehabt haben, denn er war damals in der Nähe des Tatorts gewesen, hatte sich aber später nicht als Zeuge zur Verfügung
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