Tür ins Dunkel
Schäden anrichteten. Menschen begannen zu schreien, und manche rannten auf die Ausgänge im hinteren Teil des Saales zu. Jemand kreischte: »Ein Erdbeben!« Selbstverständlich erklärte ein Erdbeben keinen der unheimlichen Vorgänge, und wahrscheinlich glaubte auch niemand daran, doch dieses in Südkalifomien so gefürchtete Wort verstärkte die Panik noch. Die Sitze der zweiten Reihe lösten sich mit furchtbarem Lärm vom Boden. Laura hatte den Eindruck, als wäre ein gigantisches unsichtbares Tier vorne ins Kino eingedrungen und käme auf sie zu, wobei es alles zerstörte, was ihm im Wege war. »Nichts wie weg hier!« brüllte Eari, obwohl er genausogut wie Laura wußte, daß sie vor diesem Wesen, was auch immer es war, nicht wegrennen konnten.
Melanie hatte aufgehört zu kämpfen. Sie hing schlaff in ihrem Sitz, zusammengesackt, wie tot. Der Vorführer schaltete seinen Apparat aus und die Saallampen ein. Außer Laura, Melanie und Earl waren alle Besucher in den hinteren Teil des Kinos gestürzt, und etwa die Hälfte von ihnen hatte sich schon ins Foyer geflüchtet. Lauras Herz klopfte zum Zerspringen, als sie Melanie auf die Arme nahm und mit ihr an leeren Sitzen vorbei zum Gang stolperte.
Jetzt flogen schon die Sitze der vierten Reihe krachend in die Luft und wurden mit ungeheurer Wucht in die zerstörte Leinwand geschleudert. Aber den schlimmsten Lärm, eine regelrechte Kanonade, vollführten die Türen der Notausgänge in der Nähe der Leinwand. Sie schwangen auf und schlugen zu, immer und immer wieder, mit solcher Kraft, daß die pneumatischen Zylinder, die ein leises Schließen gewährleisten sollten, völlig nutzlos waren, Laura sah in ihnen keine Türen, sondern weit aufgerissene Mäuler, hungrige Mäuler, und sie war sicher, wenn sie so töricht wäre, durch diese Notausgänge ins Freie flüchten zu wollen, würde sie sich nicht auf dem Parkplatz wiederfinden, sondern im Schlund eines unvorstellbar schrecklichen, stinkenden Tieres. Ihr war bewußt, daß das ein aberwitziger Gedanke war, der nur allzu deutlich machte, wie nahe sie einer totalen Panik war. Sie wußte auch, daß sie sich nur deshalb noch halbwegs unter Kontrolle hatte, weil sie ähnliche Poltergeist-Phänomene schon in ihrer Küche erlebt hatte, wenn auch in weit schwächerer Form. Was war es nur? Was war >Es Und warum wollte es Melanie haben? Dan wußte es. Zumindest wußte er manches. Aber es spielte keine Rolle, was er wußte, denn er konnte ihnen jetzt nicht helfen. Mit größter Wahrscheinlichkeit würde sie ihn niemals wiedersehen.
Der Gedanke, Haldane nie wieder zu sehen, war niederschmetternd, was sie selbst überraschte, speziell in der gegenwärtigen Situation. Als sie den Gang erreichte, drohte sie unter Melanies Gewicht und unter der Last ihres Entsetzens in die Knie zu sinken. Earl schob seinen Revolver hastig in das Halfter und nahm ihr das Mädchen ab. Nur noch wenige Menschen drängten sich an den Türen zum Foyer. Einige drehten sich immer wieder um und starrten mit weit aufgerissenen Augen auf das unvorstellbare Chaos. Laura und Earl hatten erst wenige Schritte auf dem teppichbelegten Gang gemacht, als die Sitze hinter ihnen aufhörten, in die Luft zu fliegen. Statt dessen rissen sich jetzt Sitze aus den Reihen vor ihnen vom Boden los, vollführten einen kurzen ungeschickten Tanz und krachten auf den Gang nieder, blockierten den Weg.
Melanie würde den Saal nicht verlassen dürfen. Earl blieb mit dem Mädchen auf den Armen unschlüssig stehen.
Dann versetzte ihm etwas einen heftigen Stoß, und er taumelte rückwärts, während etwas ihm Melanie entriß. Das Mädchen wurde durch den Gang geschleudert und prallte seitlich gegen eine Sitzreihe. Laura stürzte schreiend zu ihrer Tochter, drehte sie um und legte einen Finger auf ihren Hals. Sie spürte einen Puls, »Laura!«
Sie blickte auf, als sie ihren Namen hörte, und sah mit ungeheurer Erleichterung, daß Dan Haldane auf sie zugerannt kam, Er sprang über die zerborstenen Sitze, mit denen der unsichtbare Feind den Gang versperrt hatte, und er rief ihr ZU: »So ist es richtig! Halten Sie sie in Ihren Armen, beschützen Sie sie!« Er erreichte Laura und kniete neben ihr nieder. »Stellen Sie sich zwischen Melanie und >Es<, denn ich glaube nicht, daß >Es< Ihnen etwas zuleide tun wird.«
»Warum nicht?«
»Das erkläre ich Ihnen später«, sagte er und erkundigte sich bei Earl, der gerade wieder auf die Beine kam. »Ist alles in Ordnung?«
»Ja«, antwortete Earl.
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