Aussortiert
Vorspiel
In einer Garage
Die Frau in der Limousine
rauchte und sah unzufrieden aus. Der Chauffeur hatte ihr gerade Feuer
gegeben und war dabei, den Wagen zu starten, als sie mit dem Finger
schnippte und ihn bat, noch zu warten, sie habe etwas mit sich abzumachen.
Der Chauffeur erkundigte sich, worum es denn gehe, sie wirke so mißmutig,
ja wütend. Die Frau gab zur Antwort, sie sei auch wütend und würde
gerade darüber nachdenken, wie es wäre, diesem Kerl – sie
nannte keinen Namen – das Maul zu stopfen. Der ›Kerl‹
sei außer Kontrolle geraten, sei ein unnötiges Risiko. Der
Chauffeur beugte sich nach hinten, hob die Brauen und meinte, daß
sowas eine gefährliche Sache sei, eine äußerst gefährliche.
Der ›Kerl‹ sei mächtig und außerdem Deutscher.
Ihn auszuschalten verstieße rabiat gegen die bisherige Geschäftspolitik,
die sich, er nahm einen etwas ironischen Tonfall an, in all den Jahren bewährt
habe. Wenn der ›Chef‹ dahinterkomme, habe das für ihn
– er meinte sich, nicht den ›Chef‹ – strengste
Konsequenzen.
Sie wisse das, gab die Frau
zur Antwort, sie wisse das sehr gut, aber es sei ihr scheißegal. Ihr
Gatte dürfe davon einfach nichts erfahren. Sie habe sich da etwas
überlegt, und was sie sich überlegt hatte, teilte sie nun dem
Chauffeur mit, in einer Weise, die deutlich werden ließ, daß
der Chauffeur weit mehr war als nur ihr Chauffeur. Er pfiff, nachdem er
sich den Vorschlag angehört hatte, leise und hörbar überrascht,
gleichwohl auch anerkennend und sagte, daß das vielleicht
funktionieren würde. Die Frau erkundigte sich, ob er sich auf seine
Leute in so einem Fall verlassen könne. Besser wäre es bestimmt,
wenn sie – jene nicht näher benannten ›Leute‹
– die ›Sache‹ nicht groß bequatschen würden,
selbst untereinander nicht. Der Chauffeur, der ihr jetzt die Hand
abzulecken begann, murmelte lächelnd, ›die‹ –
gemeint waren wohl jene ›Leute‹ – fräßen
ihm bereits aus der Hand, so wie er nun ihr.
Dann, so halb schloß,
halb fragte die Frau, wobei ihre Oberlippe vor Anspannungen diverser Art
zu zittern begann, sei die ›Sache‹ nun spruchreif?!
Der Chauffeur bejahte und
brummte mit seiner rauhen, tiefen Stimme ein Kompliment, das ihrer Schönheit
ebenso galt wie ihrer erstaunlichen Phantasie. Beide drückten sich
gern so diffus wie möglich aus, da zu befürchten stand, das
Wageninnere könne verwanzt sein. Zur Vorsicht lief Gitarrenmusik
über alle sechs Boxen der Surroundanlage.
»Gut. Dann laß
uns fahren!« Auf einen Knopfdruck hin hob sich das schwere,
stahlgepanzerte Garagentor.
1
Als Bernd Zisska, ein kurz
vor der Pensionierung stehender leitender Angestellter, durchs Drehkreuz
des Charlottenburger Pornokinos trat, gewöhnten sich seine Augen nur
langsam an die Dunkelheit. Der kleine Gayroom war leer, wie gewöhnlich
um die Mittagszeit an einem Werktag. Den Heterofilm im größeren
Kino sahen sich drei voneinander möglichst weit entfernt sitzende Männer
an, alle irgendwo zwischen fünfzig und siebzig. Keiner nahm Notiz von
Zisska.
Junge Gierschlünde beim
Dreilochparcours. Der Streifen hielt sich nicht mit Geplänkel auf,
legte keinen Wert auf psychologisierende Vertiefungen. Höhepunkt
folgte auf Höhepunkt. Man konnte der Handlung auch als Späteinsteiger
problemlos folgen.
Zisska setzte sich in die
vorletzte Reihe, öffnete Gürtel, Knopf und Reißverschluß
und wartete, ob die Bilder kraftvoll genug sein würden, eine Erektion
auszulösen, ohne daß er mit der Hand nachhelfen mußte.
Sie waren es nicht. Die Darsteller sahen nach einer Billigproduktion aus,
unter Bedingungen dänischer Dogma-Filmer gedreht, die Dialoge klangen
geschmacklos bis hirnverbrannt.
Manchmal, leider sehr selten,
verirrte sich ein Pärchen ins Kino, und egal wie alt oder häßlich
es war, ihm zuzusehen bot stets weit mehr Erregung als die Filme, die
gezeigt wurden.
Zisska war Stammgast, fast
jeden zweiten Tag verbrachte er hier die einstündige Mittagspause, er
hatte die seltsame Angewohnheit, beim Masturbieren nachzudenken, die
Ereignisse des Vormittags Revue passieren zu lassen, und der Orgasmus, den
er schließlich erreichte, den er sich oft mühsam abrang, half
ihm, seinem belanglosen Alltag etwas Lust vorzutäuschen. Zisskas
Kollegen aßen zu Mittag in der Firmenkantine, er hingegen mußte
Diät
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