Twin Souls - Die Rebellin: Band 2 (German Edition)
sagte ich.
Addies Belustigung färbte den Raum zwischen uns bunt. Das führte dazu, dass ich mich ein wenig entspannte. Wenn ich mit Ryan zusammen war – mit Ryan redete –, behielt ich Addies Stimmung stets genau im Auge.
Ryan lachte. » Das bereitet dir also schlaflose Nächte? «
» Du bist derjenige, der sich Sorgen machen sollte « , sagte ich mit gespielter Strenge. » Du machst nächstes Jahr deinen Abschluss. Das heißt, es kommen bald die Collegebewerbungen auf dich zu. «
Sein Lächeln entglitt ihm und ich wand mich innerlich. Ryan und Devon hätten sich tatsächlich bald um einen Studienplatz bemühen sollen. Aber es wäre schon ein ungeheures Wunder, wenn wir bis zum Herbst wieder in einem Klassenzimmer sitzen würden. Selbst wenn Peter und die anderen entschieden, dass es bis dahin sicher wäre, uns aus dem Haus zu lassen, würden zusätzliche Dinge gefälscht werden müssen: Impfbescheinigungen, Schulzeugnisse …
Und abgesehen davon, wo hätten Devon und Ryan denn hingehen sollen? Es gab ein College in der Stadt, aber das war es auch schon. Es wäre sicherlich viel zu gefährlich, sie ganz auf sich gestellt irgendwohin zu schicken.
» Ich schätze, ich werde einfach die elfte Klasse wiederholen müssen. « Ryans Schulterzucken war so lässig und übertrieben wie sein Lächeln. Er warf mir einen Blick von der Seite zu. » Dann wäre ich zur Abwechslung mal genauso alt wie alle anderen in der Klasse. «
Unsere Schultern entspannten sich. Ich lachte, beugte mich näher zu ihm. » Oh, wie entsetzlich! «
Einen Moment lang gab es nur Ryan und mich, die einander ansahen. Ein atemloses Innehalten. Dreißig Zentimeter zwischen uns. Dreißig Zentimeter geflutet vom Licht der Morgensonne und von Addies wachsendem Unbehagen und dem Verkehrslärm, der die vier Stockwerke bis zu uns heraufdrang. Ryan hätte nicht mehr als eine Sekunde gebraucht, die Entfernung zwischen uns zu überwinden. Ich noch weniger. Aber die dreißig Zentimeter blieben. Eine Lineallänge aus Gründen, warum wir es nicht tun konnten.
Wieder klopfte es an der Tür.
» Hally? « , fragte ich Ryan stirnrunzelnd. Im Gegensatz zu ihren Brüdern waren Hally und Lissa keine Frühaufsteher. Es war inzwischen fast acht, was hieß, dass sie normalerweise noch mindestens zwei bis drei Stunden geschlafen hätten.
Ryan stand auf, bedeutete mir aber, sitzen zu bleiben. Bevor er einen Schritt auf die Tür zumachen konnte, rief jemand: » Ich bin’s, Leute. Lasst ihr mich rein? «
Es war nicht Hallys Stimme, aber sie war uns dennoch vertraut. Ryan warf mir einen Blick zu, der zur Hälfte erleichtert und zur Hälfte genervt war. Dann ging er die Tür öffnen.
» Hey, was geht? « Jackson schlenderte in die Wohnung. Mit der Zeit hatte ich gelernt, zwischen Jackson und Vincent – Vince – zu unterscheiden. Ich hatte die subtilen Spuren entdeckt, die die zwei Seelen voneinander unterschieden, obwohl sie beide denselben schlaksigen Körper, identische strubbelige braune Haare und hellblaue Augen besaßen. Vince war derjenige, der mir die Röte ins Gesicht trieb. Der sich dauernd über mich lustig zu machen schien – über uns alle. Dem die Witze niemals ausgingen. Vielleicht war das der Grund, warum er und Jackson ohne Unterlass lächelten.
Aber das hier war Jackson. Ich war mir sicher. Es war die Art, wie er Addie und mich ansah, die es mir verriet. So, als sähe er uns nicht einfach nur an, sondern mustere uns gründlich. Als würde er später noch eine Arbeit über Addie und Eva Tamsyn schreiben und wollte sichergehen, gut abzuschneiden.
Er hatte Addie und mich seit unserer Flucht regelmäßig besucht, den Fremdenführer in unserem neuen Leben gespielt. Durch ihn hatten wir von Emalias Vergangenheit erfahren und von Peters und Henris.
» Hallo, Jackson « , sagte ich und wurde mit einem Grinsen belohnt.
Jackson und Vince waren vertraut und sicher. Das Mädchen, das als Nächstes hereinkam, war eine Fremde.
Sie war kaum älter als Jackson, vielleicht neunzehn, mit dunklen Augen, dichten braunen Haaren und langem, gerade geschnittenem Pony. Eine übergroße verwaschene Jeansjacke hing von ihren schmalen Schultern, wodurch ihre Ballerinafigur noch zarter wirkte. Jackson öffnete den Mund, als sei er im Begriff, sie uns vorzustellen, aber sie war schneller.
» Ich bin Sabine. « Sie streckte die Hand aus. Ihr Lächeln nahm der steifen Geste etwas von ihrer Förmlichkeit, aber nicht alles. Ihr Händedruck war kühl und fest, kräftiger, als
Weitere Kostenlose Bücher