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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Teltscher
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und drückte auf den Knopf des Weckers, damit das Klingeln aufhörte. Nichts geschah, das Klingeln blieb laut und beharrlich. Es war das Telefon, nicht der Wecker, der das aufdringliche Geräusch produzierte.
    Marder war dabei, die Bettdecke zurückzuschieben und aufzuspringen, als Iris sagte:
    »Ich bin schon auf dem Weg, ich wollte mir sowieso gerade einen Tee machen.«
    »Du bist eine wunderbare Frau, mach mir doch bitte gleich einen Kaffee mit, wenn du mit dem Telefonieren fertig bist.«
    »Gerne, mein Herr. Möchten Sie Ihren Kaffee gerührt oder geschüttelt?«
    Marder ließ seinen Kopf zurück auf das Kissen sinken. Er hörte, wie seine Frau sagte: »Hier Marder.«
    Und dann: »Ach Erich, du bist es.«
    Und gleich danach: »Ja, ich hole ihn.«
    Dann hob sie ihre Stimme: »Manfred, es ist Erich, er muss dich dringend sprechen.«
    Marder war bereits aus dem Bett. Er fand seine Pantoffeln und schlurfte ins Wohnzimmer, um dort den Hörer ent gegenzunehmen.
    »Hallo, Erich, was gibt es? Ich wollte dich gerade anrufen«, log er.
    »Manfred, ich muss dir etwas Wichtiges mitteilen – damit wollte ich nicht so lange warten, bis ich im Büro bin. Man hat mich vor wenigen Minuten informiert, dass etwas Tragisches passiert ist.«
    »Was ist denn geschehen?«
    »Vera Matuschek ist heute Nacht gestorben.«
    Marder wollte etwas Belangloses antworten, dann begriff er, was Erich Falkenberg gerade gesagt hatte. Es dauerte einige Sekunden, bis er reagierte.
    »Gestorben? Einfach so gestorben?«
    Marder zog sich einen Stuhl heran. Er musste sich setzen.
    »Nein, nicht einfach so. Es war Selbstmord. Sie hat sich erhängt.«
    »Wie kann sie sich in der U-Haft erhängen? Wird sie dort nicht ständig überwacht? Man wird ihr wohl kaum einen Strick oder einen Gürtel in der Zelle gelassen haben?«
    »Natürlich nicht, und eine Überwachungskamera gibt es dort auch.«
    »Und wie hat sie es trotzdem fertiggebracht.«
    »Sie hat ihre Bluse in Streifen gerissen und daraus ein Seil gedreht. Dann hat sie sich direkt unter die Überwachungskamera gestellt, also außerhalb von deren Blickwinkel. Nachdem sie auf einen Stuhl gestiegen war, hat sie das Seil an der Halterung der Kamera befestigt. Sie hat den Stuhl zur Seite gestoßen und ist erstickt. Als die Wärter misstrauisch wurden und in ihre Zelle gingen, war es zu spät.«
    »Warum hat man sie nicht strenger überwacht?«
    »Die Wärter haben erklärt, dass das nicht vorauszusehen war. Vera sei gestern Abend sehr ausgeglichen gewesen, fast schon heiter, viel gelöster als am Abend zuvor. Sie hatte sich sogar zum ersten Mal freundlich mit ihnen unterhalten und allen eine gute Nacht gewünscht, bevor sie sich hingelegt hat. Es gab überhaupt keine Anzeichen dafür, dass sie sich etwas antun könnte. Auf jeden Fall wird es eine interne Untersuchung geben, ob das Personal fahrlässig gehandelt hat oder nicht.«
    »Das wird an der Situation leider nichts mehr ändern.«
    »Da hast du recht. Aber das ist noch nicht alles, was ich dir zu sagen habe.«
    »Was gibt es noch.«
    »Dr. Kirschbaum hat sich entschuldigt.«
    »Wofür?«
    »Weil die Rechtsmediziner zu voreilig gewesen sind. Es wäre zwar korrekt, das Volkert eine Thrombose und eine Lungenembolie hatte, aber daran ist er nicht gestorben.«
    »Jetzt bringst du mich völlig aus der Fassung. Was sagen die denn jetzt, woran er gestorben ist?«
    »Die Lungenembolie hat er überlebt. Nur ungefähr fünfzehn Prozent seiner Lungenkapazität waren dadurch stillgelegt worden, und mit den restlichen fünfundachtzig Prozent hätte er noch eine gute Weile leben können.«
    »Haben die Rechtsmediziner eine neue Theorie, woran Volkert gestorben ist?«
    »Ja. Jetzt sind endlich alle Untersuchungen abgeschlossen, und das endgültige Ergebnis bestätigt nicht ihre ersten Annahmen.«
    »Nun sag schon, woran ist Volkert wirklich gestorben.«
    »Er hatte einen Herzstillstand, so wie er jedem von uns jederzeit passieren kann. Da fällt man einfach um und ist in wenigen Minuten tot, wenn nicht ganz schnell die Wiederbelebung eingeleitet wird. Die Mediziner in der Pathologie sehen keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Embolie und dem Herzstillstand, obwohl das nicht völlig auszuschließen ist. Es ist wohl anzunehmen, dass eher der Stress durch den Streit zwischen Volkert und Vera der Auslöser gewesen sein könnte. Die Pathologen sagen, dass es vor mehr als einer Woche passiert sein muss, vielleicht noch etwas länger her, und sie bestätigen noch

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