Ueber Den Deister
gebeten, für ihn Einkäufe zu erledigen, wenn ihm sein Job dazu keine Zeit ließ. Gelegentlich ging es auch um Sachen aus der Apotheke. Dann hat er mir das Rezept gegeben, und ich habe ihm die Arznei besorgt. Da guckt man natürlich hin, was man holt.«
»Und wissen Sie auch, ob er es regelmäßig genommen hat?« »Ja, deswegen habe ich es ja für ihn holen müssen. Einmal hatte er nur noch Tabletten für zwei oder drei Tage, und er war besorgt, dass er nicht rechtzeitig dazu kommen würde,
zur Apotheke zu gehen. Da hat er mehrmals betont, dass ich das auf keinen Fall vergessen solle, es sei wichtig, dass er das Medikament täglich nähme. Es sei schließlich seine Lebensversicherung.«
»Danke, Frau Wahlberg. Sie haben uns sehr geholfen.«
»Jetzt muss ich mich erst einmal hinsetzen und darüber wegkommen, dass Herr Volkert tot ist. Er war zwar kein enger Freund von mir, aber er hat mich immer fair behandelt.«
Die Aussage von Frau Wahlberg ließ endgültig den zwingenden Schluss zu, dass jemand Volkerts Medizin manipuliert hatte, und das konnte tatsächlich nur Vera Matuschek gewesen sein. Sie hatte die Tabletten ausgetauscht und dadurch Volkerts Tod bewusst herbeigeführt. Wie sie es getan hatte und vor allem, warum, das wusste nur Vera selbst. Eine letzte Unterhaltung mit ihr stand Marder bevor. Er hätte dieses Gespräch gern einem anderen überlassen, aber das ging nicht, er hatte die Ermittlungen bis zu diesem Punkt geführt, er würde sie abschließen müssen.
Erich Falkenberg zog die Vorhänge vor seinem Fenster zur Seite. Das Zimmer wurde hell, das Licht änderte die Stimmung im Raum schlagartig.
Ich sehe auf einmal alles klarer, dachte Marder. Mir fehlen nur noch die Details – und eine Erklärung, wie es zu der Eskalation der Probleme zwischen Vera und Volkert gekommen ist, die mit einem Mord endete.
»Wo ist Vera Matuschek jetzt?«, fragte er seinen Freund. »Ich muss noch einmal mit ihr sprechen, dann werden wir hoffentlich endlich wissen, was in dem Haus am See wirklich geschehen ist.«
»Frau Matuschek ist in Untersuchungshaft, wie du weißt. Ich werde sie am frühen Nachmittag hierher bringen lassen, dann kannst du mit ihr reden. Mich musst du für den Rest des Tages entschuldigen, Manfred, nachher nimmt der Minister persönlich an der Konferenz teil, da kann ich mich unmöglich länger drücken. Ich überlasse alles dir. Wenn du nicht die Wahrheit aus Vera herausbekommst, wird es kaum jemandem gelingen.«
»Das gibt mir eine Mittagspause Zeit, mich mit Hannover anzufreunden und mir zu überlegen, was ich Vera fragen werde.«
»Geh zum Maschsee, der liegt praktisch um die Ecke, da kannst du die Stadt von ihrer besten Seite sehen.«
Kapitel 2 4
Es war seit Langem der erste Tag, an dem man es mittags im Freien aushalten konnte. Die Temperaturen lagen um die fünfundzwanzig Grad, auch wenn es sich in der Stadt wärmer anfühlte. Die Straßen und Häuser hatten die Hitze der vergangenen Tage tief in sich aufgesogen und ließen sie nur langsam wieder frei. Ein freundlicher Wind wehte über den Maschsee, und am Himmel hatte sich ein lockerer Wolkenteppich gebildet. Marder nahm auf einer Terrasse am Nordufer des Sees Platz, bestellte einen Salat der Saison und ein großes Alsterwasser. Alsterwasser war ihm schon wegen des Namens sympathisch. Wenn er es trank, kam er sich immer ein bisschen vor wie an der Binnenalster in Hamburg, wo er mit seiner Frau gern Rast machte, wenn sie die Hansestadt besuchten.
Hier am Maschsee war es beinahe genauso schön. Auf dem Wasser ging es bunt zu: Segelboote, die gegen den Wind kreuzten; Ruderboote, von athletischen Körpern angetrieben; Tretboote aus Plastik, in denen Kinder strampelten; weiße Ausflugsboote der städtischen Flotte; Modellboote in Miniaturgröße; Enten, Schwäne, dazu andere Wasservögel, die Marder nicht identifizieren konnte. In der Nähe des Ufers trieben farbige Plastiktüten und einige tote Fische auf dem Wasser.
Zwischen der Terrasse und dem Ufer führte ein gepflasterter Weg, auf dem die Bewohner der Stadt entlangschlenderten: ältere Ehepaare, die sich untergehakt hielten; Liebespaare, denen man ansah, dass sie auf dem Weg zu Zärtlichkeiten waren; Singles, ohne Hast, ohne Ziel. Durch die Lücken zwischen den Spaziergängern huschten Freizeitsportler: Nordic Walker, deren Körper im Takt ihrer Stöcke schwangen; Inline-Skater und Jogger in modisch regenbogenbunter Kleidung; Radfahrer mit oder ohne Helm.
Man sah den Menschen an,
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