Oft
1
Unruhig lief Adrian McDermott vor der Damentoilette des Dolores del Rio Ristorante in San Antonio hin und her. Schließlich hielt er es nicht mehr aus, stieß die Tür auf und betrat den Raum. Ungeachtet der vorwurfsvollen Blicke einer älteren Dame strebte er auf eine der Kabinen zu, aus der würgende Geräusche zu hören waren.
»Melody, Liebling, kann ich irgendetwas für dich tun?«, fragte er hilflos.
»Geh zurück zu den anderen und lass mich hier einfach in Ruhe sterben«, klang eine brüchige Stimme aus dem WC.
Ein erneutes Würgen folgte, und Adrian seufzte. »Soll ich dich nicht lieber nach Hause bringen?«
Die Spülung rauschte und Sekunden später öffnete sich die Kabinentür.
»Nein, es geht schon wieder«, wehrte Melody Foster ab, »ich kann bloß diesen Essensgeruch im Moment nicht so gut ertragen.«
»Es tut mir so leid«, murmelte er, während er ihr zusah, wie sie sich ihr blasses und von der Anstrengung verschwitztes Gesicht abwusch.
Sie schaute in den Spiegel und warf ihm einen liebevollen Blick zu. »Das muss es nicht, schließlich bin ich auch nicht ganz unschuldig daran.«
»Trotzdem, es war ein ziemlich dämlicher Einfall von mir, die Eröffnung deiner Ausstellung ausgerechnet in einem Restaurant zu feiern.«
»Unsinn«, widersprach sie, während sie nach einem Papiertuch griff und sich das Gesicht abtrocknete, »es war eine tolle Idee. Schöner hätte der Tag doch nicht ausklingen können.«
»Nun, so wie ich meine Geschwister kenne, sitzen sie inzwischen da draußen und reden sich mal wieder die Köpfe über unser Liebesleben heiß.«
»Ja, vermutlich«, schmunzelte Melody. »Also sollten wir jetzt zu ihnen gehen und ihnen wie geplant eröffnen, was los ist.«
Zärtlich strich Adrian ihr eine widerspenstige, blonde Locke hinters Ohr. »Geht es dir wirklich gut? Wenn nicht, können wir auch nach Hause fahren und verschieben das Ganze.«
»Du willst dich doch nicht etwa drücken?«, neckte sie ihn.
»Im Gegenteil«, er legte ihr einen Arm um die Schultern und schob sie zur Tür, »ich kann es kaum erwarten, aller Welt zu verkünden, dass ich der glücklichste Mann unter der Sonne bin.«
Unterdessen sorgte Melodys Unwohlsein draußen in der Gaststube tatsächlich für Gesprächsstoff bei den anderen Mitgliedern der Familie McDermott.
»Es tut mir so leid, dass es Melody nicht gut geht, und das ausgerechnet an ihrem großen Tag«, sagte Rose Porter gerade.
Ihre Enkelin Joyce McDermott nickte. »Mir auch. Bestimmt ist ihr die Aufregung auf den Magen geschlagen. Immerhin ist es das erste Mal, dass sie ihre Bilder ausstellt, und sie hat garantiert nicht damit gerechnet, dass es so ein Erfolg werden würde.«
»Quatsch«, schmunzelte ihr Mann Callan, »ich wette zehn Dollar darauf, dass sie schwanger ist.«
Joyce stieß ihm ihren Ellenbogen in die Rippen. »Fängst du schon wieder mit diesem Blödsinn an?«
»Sie ist niemals schwanger«, mischte Jordan, der jüngste der McDermott-Geschwister, sich ein. »Adrian ist doch viel zu konservativ, um eine Frau zu schwängern, mit der er nicht verheiratet ist.«
Callan grinste. »Jaja, von wegen konservativ. Das letzte Mal warst du auch so sicher, dass er zu spießig ist, um überhaupt mit Melody zu schlafen, und dann haben wir die beiden inflagranti über der Couch erwischt.«
Bei der Erinnerung an die leicht missglückte Überraschung zu Adrians Geburtstag musste Jordan schmunzeln. »Trotzdem, ich kann mir nicht vorstellen, dass er so unvorsichtig ist, ich wette zehn Dollar dagegen.«
»Onkel Callan, was ist inflagranti?«, fragte der neunjährige Timmy, glücklicherweise ohne wirklich zu verstehen, worum es ging.
»Das sagt man, wenn man jemanden bei etwas ertappt hat«, erklärte Rose und warf Callan einen mahnenden Blick zu. »Vielleicht sollten wir doch besser das Thema wechseln.«
»Oh, aber ich glaube, Callan hat recht«, bedächtig wiegte Millie Campbell, Roses Schwester, den Kopf hin und her, »habt ihr denn nicht den Ring an Melodys Hand gesehen? Ich wette zehn Dollar, dass es ein Verlobungsring ist.«
»Mit einem Smaragd – niemals«, behauptete Callan im Brustton der Überzeugung. »Ich halte dagegen.«
Rose lächelte. »Also ich könnte es mir auch sehr gut vorstellen. Dein Bruder hatte in einigen Dingen schon immer einen ausgefallenen Geschmack, und außerdem passt der Stein genau zu Melodys Augen.«
»Pst, sie kommen«, zischte Jordan.
Sekunden später hatten Adrian und Melody den Tisch erreicht.
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