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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nie beschworen wurden und nie seine Ruhe störten. Aber mit Red Fox war es für Tokei-ihto etwas anderes.
    Lange und furchtbar hatten die beiden Männer sich gehaßt, und für Harka – Stein mit Hörnern – Tokei-ihto war Red Fox die Verkörperung der bösen Macht der Watschitschun geworden, die die Dakota betrog, ermordete und vertrieb. Die Feindschaft des Red Fox schien dem Indianer noch wie Nebel in den Gräsern zu lauern; sie schwebte in der Finsternis, und sie kläffte aus dem Tal, wenn ein Kojote schrie. Noch immer stand die Macht der Watschitschun zwischen Tokei-ihto und der Bärenbande.
    Aus dem Buchtgrund fiel ein Schuß. Der Dakota fühlte einen heftigen Schlag gegen den Kopf, es flimmerte ihm vor den Augen, dann wurde es schwarz um ihn. Mit Aufbietung seines ganzen Willens rutschte er ein Stück tiefer in die Mulde hinein.
    Seine Hand tastete nach einer Flinte, und er drückte ab, ohne jedoch feststellen zu können, wohin er schoß. Drunten sollten sie nicht wissen, daß er einen Augenblick kampfunfähig war. Sonst war er verloren, und sein Skalp kam in die Hände der Feinde.
    Der Schuß des Dakota wurde sofort beantwortet, ohne daß ihn diese zweite Kugel traf. Der Verwundete griff nach den Bastbinden; die mechanische Bewegung seiner Hand fand die Stelle, an der sie verwahrt waren, und er versuchte, die Binden um die Kopfwunde zu legen. Seine Hand war gleich naß von Blut, aber es gelang ihm, den Bast fest um den Kopf zu wickeln. Dann sanken seine Arme herunter, und er blieb liegen.
    Von drunten schossen sie nicht mehr. Krochen sie schon herauf? Tokei-ihto war sich bewußt, daß er einen Fehler gemacht hatte. Ein Stück seines Kopfes mußte für ein feindliches Auge in dem hellen Mondschein sichtbar geworden sein. Das Knallen des Schusses hatte ihm noch die Vorstellung vermittelt, wo der Gegner steckte: hinter der obersten Weide in der Bucht. Er hatte ihn schon da vermutet, aber seine Gedanken waren einen Augenblick abgewichen.
    Aus der Bucht krachte wieder ein Schuß. Ohne von einem klaren Gedanken geleitet zu sein, griffen die Hände des Häuptlings abermals nach der Flinte. Die Bewegung fiel ihm leichter, und vor seinen Augen ging ein heller Schimmer auf, wenn auch die Gegenstände darin noch umherzuschwanken schienen. Er fand den Kolben und den Abzug, und es gelang ihm zu schießen.
    Der Knall dicht an seinem Ohr und der Rückstoß weckten ihn völlig, und er erkannte wieder die Landschaft im Rund. Er sah auch ein, daß er einen ganzen irren Schuß abgegeben haben mußte, denn aus der Bucht ertönte lautes Lachen. Der Häuptling riß sich zusammen. An dem toten Red Fox vorbei schoß er zum drittenmal. Da lachte drunten keiner mehr. – Etwas Rauhes, Feuchtes kam ihm auf den Rücken. Der Falbe leckte seinen Herrn.
    »Ja. Geh.« Tokei-ihto sprach leise und gut zu dem Getreuen. Das Tier schien zu verstehen. Es stieg an der Stute wieder vorbei aus der Mulde heraus.
    Der Häuptling band sich die Baststreifen fester um den Kopf. Es war ein Streifschuß, den er erhalten hatte, und die größte Gefahr, die erste Betäubung, war schon vorüber. Untschidas Lied klang von der Prärie her.
    »Mein Sohn -
    bleibe wach -
    Du bist ein Dakota.
    Deine Augen werden nicht müde -
    deine Hand zittert nicht -
    brich durch den Ring der Feinde -
    und komm zurück
    zu deinen Brüdern.
    Wir warten auf dich.«
    In nördlicher Ferne glaubte Tokei-ihto einen glimmenden Punkt wahrzunehmen. Der undeutliche Schein war sehr weit. War es ein Feuer? War es das Zeichen, daß der Wanderzug die rettende Grenze überschritten und die Waldberge erreicht hatte? Dann waren die Männer und Frauen schnell gewandert. Tschetansapa mochte sie zu dem Gewaltmarsch angetrieben haben. Es war gut so. Nun konnte, nun mußte auch Tokei-ihto seinen Feinden zu entkommen suchen.
    Aber rings rührte es sich in der Finsternis. Tokei-ihto hatte das Ohr am Boden. Er konnte nichts hören. Doch seine spähenden Augen entdeckten Schatten lediger Pferde, die sich in Gruppen von dem Kreis der Belagerer entfernten. Die langsame und geordnete Bewegung ließ darauf schließen, daß sie fortgeführt wurden. Wohin? Das war nicht ohne weiteres festzustellen. Sie verschwanden bald in der Dunkelheit. Ihre Reiter lagen in weitem Kreis versteckt im Gras, und sie schienen den Ring allmählich enger zu ziehen.
    Wenn man die Tiere alle fortgebracht hatte, mußten die Reiter einen Plan haben, den sie zu Fuß ausführen wollten. Noch war alles, was vorging, fern und schwer

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